Rechtsprechung zum Urheberrecht im Jahre 2013 – Teil I

Erfasst werden nur diejenigen Entscheidungen des EuGHs und BGHs, die für die Tätigkeitsbereiche der Kanzlei von Bedeutung sind.

Werke der angewandten Kunst  – § 2 Abs. 2 Nr. 4 UrhG –  Geburtstagszug.

Die Entscheidung „Geburtstagszug“ hat für einige Furore gesorgt. Unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung entschied der BGH (BGH GRUR 2014, 175), dass Werke der angewandten Kunst grundsätzlich unter den gleichen Anforderungen zu schützen sind, wie die Werke der zweckfreien bildenden Kunst. Das muss man kurz erklären: Das deutsche Urheberrecht macht einen politisch gewollten Unterschied zwischen dem Schutz von literarischen, bildnerischen oder musikalischen Werken, bei denen schon geringste kreative Ansätze ausreichen, um die Urheberrechtsfähigkeit zu bejahen. Dem gegenüber werden Werke der „angewandten Kunst“, also des zwei- oder dreidimensionalen Designs  – genannt seien hier die Erzeugnisse von Werbegrafikern, Designern, Industriedesignern, etc. –  nur unverhältnismäßig viel schlechter geschützt. Wer sich einmal bei ikea oder Tschibo umgesehen hat und die Ursprünge des Designs verfolgen möchte, weiß wovon ich spreche. Da das Geschmacksmusterrecht es zulässt, dass auch Werke der angewandten Kunst unter geringeren Voraussetzungen geschützt werden können, als dies nach dem deutschen Urheberrecht eigentlich der Fall sein dürfte, sah sich der BGH zu einer Korrektur seiner bisherigen Rechtsprechung gezwungen. Er entschied, dass die Hürde der Werke der zwei- oder dreidimensionalen angewandten Kunst schutzfähig zu sein, herabzusenken ist. Allerdings ist es auch heute noch nicht so, dass bei Werken der angewandten Kunst eine geringe Gestaltungshöhe ausreicht, um von einer urheberrechtlichen Schutzfähigkeit auszugehen. Nach wie vor wird gefordert, dass der Designer eine künstlerische Leistung erbracht habe. Bedeutet: Das Design muss „den schöpferischen Geist des Urhebers in origineller Weise zum Ausdruck bringen“. Gebrauchsgegenstände des zwei- oder dreidimensionalen Designs sind nur schutzfähig, wenn sie jenseits der Funktion, die sie erfüllen sollen, auch künstlerisch gestaltet sind und die künstlerische Gestaltung eine Gestaltungshöhe erreicht, die einen Schutz nach dem Urheberrecht rechtfertigt.

Computerspiele, § 2 I Nr.6 UrhG

In der Entscheidung „Nintendo/PC Box“ entschied der BGH, dass grafische und klangliche Bestandteile eines Videospiels als Teile des Gesamtwerks geschützt werden könnten. Ein Computerspiel wird  – ähnlich einem Filmwerk –  als Gesamtwerk nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG angesehen.

Verwertungsrechte

Harmonisierung der Verwertungsrechte

Art. 2 bis Art. 4 der InfoSoc-Richtlinie gebietet eine Vollharmonisierung der Verwertungsrechte. Das bedeutet auf deutsch, dass die Auslegung der Verwertungsrechte innerhalb der Europäischen Union nach Maßgabe der Rechtsprechung des EuGHs zu erfolgen hat, der sich anhand der InfoSoc-Richtlinie über die Auslegung der Reichweite der Verwertungsrechte orientiert.

Verbreitungsrecht, § 17 UrhG

Immer noch umstritten ist, ob bereits das öffentliche Anbieten eine Verwertungshandlung im Sinne des Verbreitungsrechts im Sinne des Art. 4 Abs. 1 InfoSoc-Richtlinie ist. Sollte dies der Fall sein, würden bereits Werbemaßnahmen als urheberrechtliche Verwertungshandlungen erfasst werden. Der EuGH hat diese Frage in der Entscheidung „Blomquist/Rolex“ zu Beginn des Jahres 2014 positiv entschieden. Bedeutet auf deutsch: Schon das Anbieten einer Ware, die möglicherweise die Urheberrechte eines Dritten in einem Online-Shop verletzt, bedingt urheberrechtliche Verbietungsrechte der betroffenen Rechteinhaber. Dies bedeutet aber auch: Wurde die Ware bereits einmal angeboten und nicht etwa schon „verbreitet“, liegt eine „Verbreitung“ im Sinne des § 17 UrhG vor.

Öffentliche Wiedergabe, § 15 Abs. 2 UrhG

Was überhaupt ist das Recht der öffentlichen Wiedergabe? Zunächst einmal bestimmt sich der Inhalt der Auslegung des § 15 Abs. 2 UrhG infolge der Vollharmonisierung des europäischen Urheberrechts danach, wie das Recht der öffentlichen Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der InfoSoc-Richtlinie zu verstehen ist. Der EuGH hat die Aussage getroffen, dass die Frage nach dem Inhalt des Rechts zur öffentlichen Wiedergabe aus dem Ergebnis eine Gesamtbetrachtung der individuellen Situation des Nutzers und der Person abzuleiten ist, denen Zugang zum Werk verschafft wird. Wichtig für die Bestimmung der öffentlichen Wiedergabe sind z.B. die Fragen, ob durch die Wiedergabe ein neues Publikum erschlossen werden, ob ein Handeln zu Erwerbszwecken vorliegt, etc.. Auf die teilweise skurrilen Ergebnisse der Rechtsprechung des vergangenen Jahres des EuGHs sei hingewiesen. So gilt es nicht als öffentliche Wiedergabe, wenn Musik in einer Zahnarztpraxis die Patienten beschallt, weil diese der Beschallung nicht entfliehen könnten und auch nicht deshalb den Zahnarzt besuchten, um sich von der Musik beschallen zu lassen. Allerdings gilt es als öffentliche Wiedergabe, wenn der Besucher eines Hotels die Radioanlage benutzt, weil die Beschallung mit Musik in diesem Fall einzig Ergebnis der Entscheidung des Hotelbesuchers sei. Als Außenstehender stellt man schnell fest, dass die Frage nach dem Inhalt des Rechts der öffentlichen Wiedergabe treffend damit beantwortet wird: Öffentliche Wiedergabe ist das, was der EuGH entscheidet.

Eine zweite Unterscheidung im Verhältnis zum deutschen Recht gilt im Hinblick auf die Personenanzahl, die die Öffentlichkeit ausmachen. Nach der Rechtsprechung des BGHs liegt Öffentlichkeit schon dann vor, wenn bereits wenige Personen in den Genuss des Werkes kommen. Schlagwortartig sei die Praxis der GVU genannt, die sieben Privatkopien zuließ, wenn diese an einen engen Bekannten- und Verwandtenkreis weitergegeben wurden. Der EuGH zieht den Kreis der Öffentlichkeit weiter und spricht davon, dass eine „ziemlich große Zahl von Personen“ neben oder nacheinander potenziell Nutzer des Werkes sein könnten. Was genau mit dem Begriff „ziemlich groß“ zu verstehen ist, bleibt widerrum der Rechtsprechung des EuGHs vorbehalten.

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