Markenrecht: Europäische Gerichte müssen nationales Recht umfassend prüfen

Gemeinschaftsmarken genießen gleichzeitig in allen 28 Mitgliedsstaaten der EU Schutz. Das regelt die Gemeinschaftsmarken-Verordnung der EU, die in allen Ländern unmittelbar gilt. Nichtsdestotrotz können schon der Eintragung einer Gemeinschaftsmarke Hindernisse entgegenstehen, die allein aus dem nationalen Recht eines Mitgliedsstaats begründet sind. Der EuGH hat entschieden, dass das zuständige Harmonisierungsamt (HABM) solche Hindernisse umfassend prüfen und die Parteien entsprechend informieren muss (Urteil vom 27.03.2014 – C-530/12).

Die Entscheidung trägt einerseits zu größerer Rechtssicherheit für die Inhaber älterer Rechte bei. Andererseits wird der Prüfungsaufwand im Rahmen der Anmeldung einer Gemeinschaftsmarke erheblich erweitert; jedenfalls dann, wenn gegen die Eintragung Widerspruch erhoben wird, der auf nationale Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaats gestützt wird.

Das illustriert eindrücklich der vom EuGH zu entscheidende Fall: Die britische National Lottery Commission (NLC) ließ im Jahr 2007 eine Gemeinschaftsbildmarke beim HABM registrieren. Gegen die Eintragung wurde Widerspruch mit der Begründung eingelegt, die Marke verletze ein älteres Urheberrecht nach italienischem Recht. Hiergegen wiederum wandte NLC ein, der vorgelegte Vertrag sei rückdatiert worden. Allerdings genießen solche Urkunden nach italienischem Recht so lange Beweiskraft, bis über eine sog. Fälschungsklage deren Unrichtigkeit festgestellt ist, Art. 2702, 2703 Codice Civile. Eine solche Fälschungsklage hatte NLC nicht erhoben.

Wegen der Vermutung für die Richtigkeit der Urkunde gab das HABM auch in der Beschwerdeinstanz dem Widerspruch statt. Hiergegen klagte NLC nun zunächst vor dem EuG.

Das EuG hob die Entscheidung des HABM auf und gab der Markeninhaberin Recht. Zur Begründung stützte es sich auf eine Entscheidung des höchsten italienischen Gerichts, nach dem bereits der Fälschungseinwand in einem anderen Verfahren eine Prüfungspflicht nach sich zieht. Eine Fälschungsklage vor einem italienischen Gericht sei hierfür nicht zwingend. Tatsächlich gibt es eine solche Entscheidung, nur hatte keine der Parteien hierzu jemals etwas vorgetragen noch hatte das EuG vor der Urteilsverkündung jemals darauf hingewiesen. Eine echte Überraschung also.

Gegen dieses Urteil wandte sich nun wiederum das HABM und wollte vom EuGH feststellen lassen, dass 1. das HABM nur solche Vorschriften und Urteile des nationalen Rechts prüfen müsse, welche die Parteien auch tatsächlich vortragen und dass 2. das EuG das Urteil des italienischen Kassationsgerichtshofs jedenfalls nicht ohne vorherigen Hinweis hätte heranziehen dürfen.

Die Entscheidung des EuGH fällt geteilt aus. Das Gericht stellt fest, dass die Ermittlung nationalen Rechts eine Rechts- und keine Tatsachenfrage sei. Insofern gelte also nicht der Grundsatz, dass die Parteien hierzu umfassend vortragen müssen. Vielmehr sei es Aufgabe des HABM und der Gerichte, das relevante nationale Recht zu ermitteln und anzuwenden. Hierzu gehören neben den anwendbaren Rechtsvorschriften auch die hierzu ergangenen höchstrichterlichen Urteile.

Dies wird für das HABM in Zukunft ein bedeutendes Mehr an Arbeit bedeuten. Die Prüfung 28 verschiedener Rechtsordnungen wird aber auch die Parteien im Widerspruchs- oder Löschungsverfahren künftig mehr denn je beschäftigen.

Die zweite Aussage des EuGH stärkt wiederum die Position der Parteien. Denn der EuGH stellt ebenfalls klar, dass das Urteil des EuG deswegen keinen Bestand haben könne, weil es das Gericht unterlassen hat, die Parteien vorab auf das für entscheidungserheblich gehaltene Urteil des italienischen Kassationsgerichtshofs hinzuweisen. Eine solch umfassende Hinweispflicht haben Gerichte üblicherweise nicht. Angesichts der Komplexität des Gemeinschaftsmarkenrechts scheint es aber angemessen, den Parteien bei der Ermittlung des anwendbaren Rechts auf diese Weise behilflich zu sein.

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