Projektverträge, Haftung und Planung IV

In diesem Blog werde ich kurz die Ansichten der Rechtsprechung des BGH zu den Themen „Qualität des Pflichtenhefts“ und „Verantwortung für die Qualität des Pflichtenhefts“ darlegen. Die genannten Ansichten der Rechtsprechung stammen aus den 80er und 90er Jahren. Die juristische Literatur bezieht sich noch heute auf diese Entscheidungen. Vorab ist klarzustellen: Erstens habe ich es im Laufe meines anwaltlichen Lebens schon oft erlebt, daß die Landes- und Oberlandesgerichte ganz eigene Standpunkte zu den Entscheidungen des BGH hatten. Es gab rund um das Jahr 2010 in der Fachliteratur eine enorme Anzahl über die richtige Auslegung des § 651 BGB zu lesen, die beinahe stets zu dem Schluß kamen, daß die meisten der bis dahin als Werkverträge anzusehenden Verträge nun plötzlich als Kaufverträge qualifiziert werden müssten. In der Praxis der Gerichte – ich war mit entsprechenden Entscheidungen mittlerweile bei sechs unterschiedlichen Landes und Oberlandesgerichten Gerichten in Deutschland – wurde das Thema § 651 BGB noch nicht einmal angesprochen. Aus dem Umstand, daß sich die „IT“ sehr häufig vergleicht folgt als Konsequenz, daß nur wenige Entscheidungen veröffentlicht werden. Und in Ermangelung einer ausreichenden Anzahl von veröffentlichen Entscheidungen ist es sehr, sehr schwer auf das Verhalten eines einzelnen Gerichts zu schließen. Aber völlig unbeirrt werden auch in den neuesten Büchern Ansichten unter Berufung auf sehr veraltete Entscheidungen vertreten, BGH Entscheidungen aus dem Jahr Anno Tobak interpretiert. Beim Lesen dieses Blogs sollte man also immer Gewahr sein, daß die nachfolgend geschilderten Punkte eben nur Anhaltspunkte darstellen können. Sicherheit ist in dem Bereich nur eine scheinbare.

Ich habe schon erwähnt, daß nach der Ansicht des BGH es Sache des Kunden ist, das Fachliche Anforderungsprofil zu liefern. In dem Jargon des BGH ist das das Lastenheft, was der ITler Pflichtenheft nennt. Die Instanzgerichte halten sich bei der Frage der Benennung des Dokuments nicht auf. Sie fragen einfach (und das ist richtig), ob es ein Dokument über die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit der Software gibt. Das ist der juristische Jargon für das, was man normalerweise den Sollzustand nennt, und zwar den Sollzustand des Fachlichen Anforderungsprofils. Dieses Anforderungsprofil ist vom Kunden zu erstellen. Das ist insofern auch konsequent, als nur der Kunde selbst weiß, was er eigentlich haben möchte. Falls der Kunde nicht mit der Erstellung des Fachlichen Anforderungskonzepts Schwierigkeiten hat, kann er Hilfe von Dritter Seite beauftragen.

Nun stellen sich drei Fragen.

Erstens: Was geschieht, wenn kein Pflichtenheft vorhanden ist?

Wird schlicht vergessen, ein Pflichtenheft zu erstellen, so hat die Software dem mittleren Ausführungsstandard unter Anwendung des anerkannten und bewährten Stand der Technik zu entsprechen (BGH CR 92,543- Zugangskontrollsystem). Nur hat – und dies ist die Krux – das IT Unternehmen den Kunden darauf hinzuweisen, daß man ohne Pfichtenheft eben nur die Erstellung eines mittleren Standard erwarten kann. Die Pflicht zur Erstellung des Pflichtenhefts ist eine Mitwirkungspflicht, die dem Kunden obliegt. Verletzt der Kunde diese Pflicht und hat das IT-Unternehmen den Kunden hierauf hingewiesen, kann das IT- UNternehmen nicht mit der Erstellung von Software in Verzug geraten, deren Qualität über den normalen Ausführungsstandard hinausgeht. Die Nachweispflicht dafür, daß der Kunde auf die Folgen der Nichterstellung des Pflichtenhefts hingewiesen wurde, obliegt dem IT- Unternehmen.

Zweitens: Was geschieht, wenn die Qualität des Pfichtenhefts nicht ausreichend ist?

Wenn die Parteien nicht im einzelnen vereinbart haben, welche Funktionen die Software aufweisen soll, schuldet der ITler ein Programm, welches unter Berücksichtigung des vertraglichen Zwecks dem mittleren Stand der Technik bei einem mittleren Ausführungsstandard entspricht. Welche Anforderungen sich daraus ergeben, hat der Tatrichter mit Hilfe eines Sachverständigens zu ermitteln. BGH CR 2004, 490. Erneut gilt: Falls die Qualität des Pflichtenhefts nicht ausreichend ist, hat das IT-Unternehmen den Kunden hierauf hinzuweisen.

Drittens: Was geschieht, wenn generell das IT-Unternehmen mit der Erstellung des Pflichtenhefts beauftragt ist?

In der Praxis spielen die Fallgestaltungen zu 1.) und 2.) kaum eine Rolle weil in den meisten Verträgen das IT-Unternehmen die Pflicht übernimmt, das Pflichtenheft zu erstellen. Im fünften Block gehe ich auf die Fragestellung ein, wie diese Verträge über die Erstellung des Fachlichen Anforderungsprofils zu gestalten sind und wo die Gefahren bestehen.

 

 

 

 

 

 

 

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