Wettbewerbsrecht: „Familienwerbung“ und Jugendschutz

Kinder und Jugendliche sollen auch und gerade im Bereich der Werbung geschützt werden. Deshalb sieht das Wettbewerbsrecht strenge Regelungen dafür vor, wie gegenüber Kindern geworben werden darf. Der BGH hatte nun zu entscheiden, welche Voraussetzungen z.B. ein Fernsehspot erfüllen muss, der – auch – Kinder anspricht bzw. für bei Kindern besonders beliebte Produkte wirbt (Urteil vom 12.12.2013 – I ZR 192/12).

Gestritten wurde um einen Fernsehspot für Haribo-Goldbären aus dem Jahr 2011. Darin ging es um eine Gewinnspielaktion. Bei Einsendung von fünf Kassenbelegen über den Kauf von Haribo-Produkten konnten die Teilnehmer Goldbarren im Wert von 5000 Euro gewinnen. In dem Spot waren eine Familie und eine Mutter mit zwei Kindern beim Einkauf zu sehen, die dort Fernsehmoderator Thomas Gottschalk begegneten. Beide Einkaufswagen wurden mit Haribo-Produkten befüllt. Enthalten war auch folgender Dialog zwischen Gottschalk und einem kleinen Jungen, der auf die vielen Packungen in seinem Einkaufswagen zeigt und sagt: „Aber Thomas, wir haben aber viel größere Gewinnchancen.“ Gottschalk entgegnet darauf: „Da hat er Recht.“ Im Anschluss daran werden dann die Regeln des Gewinnspiels erläutert.

Die klagende Verbraucherzentrale meinte, durch diese Werbung würden Kinder gezielt angesprochen und zum übermäßigen Kauf von Haribo-Produkten aufgefordert. Dadurch werde die Leichtgläubigkeit von Kindern unzulässig ausgenutzt. Die Werbung sei daher wettbewerbswidrig und müsse unterlassen werden. Die Vorinstanzen sahen das genauso und gaben der Verbraucherzentrale Recht.

Anders sieht das der BGH. Die Karlsruher Richter erkennen in dem Werbespot keine Werbung, die ausschließlich Kinder und Jugendliche betreffe oder sich gezielt an diese richte. Vielmehr sei davon auszugehen, dass sich die Werbung an die gesamte Familie, also lediglich „auch“ an Kinder und Jugendliche richte.

Die Konsequenz: Der Maßstab für die Prüfung der Zulässigkeit der Werbung fällt deutlich weniger streng aus. Denn gegenüber Kindern und Jugendlichen müssen besonders viele Dinge berücksichtigt werden. Insbesondere darf aus der Werbung kein unmittelbarer Kaufappell an diese Gruppe hervorgehen. Auch darf nicht die Entscheidungsfreiheit dieser vom Gesetzgeber als besonders unerfahren und leichtgläubig angesehenen Gruppe beeinflusst werden.

Der BGH hatte sich danach nur noch mit der Frage zu beschäftigen, ob die Werbung Verbraucher im Allgemeinen in unzulässiger Art und Weise beeinflusst, bzw. ob die Gewinnchancen durch den Dialog zwischen Thomas Gottschalk und dem kleinen Jungen falsch dargestellt würden.

Auch dies verneint das Gericht. Die Tatsache, dass beim zusätzlichen Einkauf von Haribo-Produkten und der mehrmaligen Einsendung von je fünf Kassenbelegen die Gewinnchancen stiegen, sei als solche korrekt. Dass die Gewinnchancen auch davon abhingen, wie viele Einsender an dem Gewinnspiel teilnähmen, sei dem Durchschnittsverbraucher klar. Der Gewinn sei mit 5000 Euro je Goldbarren auch handelsüblich und stehe auch in keinem Missverhältnis mit dem Preis für eine Tüte Fruchtgummi oder Lakritz. Diese Erfahrung bzw. diese Erkenntnis gälte im Übrigen auch für Kinder und Jugendliche.

Die Entscheidung lässt Werbetreibende künftig vielleicht etwas ruhiger schlafen. Dann würden die – zu Recht – außerordentlich strengen Anforderungen für die Werbung gegenüber Kindern und Jugendlichen schon dann gelten, wenn sich eine Werbung nur „auch“ an diese Gruppe richten würde, wären die Chancen für Unternehmen in werblicher Art und Weise, d.h. mit der einen oder anderen Übertreibung, auf ihre Waren und Dienstleistungen hinzuweisen, sehr stark eingeschränkt (vgl. hierzu auch unseren Blog zu unzulässiger Werbung gegenüber Kindern).

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