Wettbewerbsrecht: Wettbewerbsverhältnis zwischen Lizenzgeber und Händler

Wettbewerbsrechtliche Unterlassungs- oder Schadensersatzansprüche kann ein Unternehmen nur gegenüber Mitbewerbern i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG durchsetzen. Diese Voraussetzung ist ohne weiteres dann erfüllt, wenn zwei Unternehmen Waren oder Dienstleistungen gegenüber demselben Kreis von Endabnehmern abzusetzen versuchen. Es gibt allerdings weniger eindeutige Konstellationen, in denen die Rechtsprechung mit marktbezogenen Kriterien interessengerechte Lösungen zu finden versucht, so jetzt auch der BGH in einem Streit zwischen einem Lizenzgeber und einem Händler (BGH, Urteil vom 10.04.2014 – I ZR 43/13).

Im konkreten Fall hatte die Inhaberin ausschließlicher Nutzungsrechte an einem Europäischen Patent für die Herstellung von nickelfreiem Edelstahl geklagt. Sie nutzt das Patent nicht selbst, sondern hat hierzu entsprechende Unterlizenzen erteilt. Nun wollte Sie gegen eine Schmuckhändlerin vorgehen, die für Edelstahlketten mit der Aussage „nickelfrei“ warb, obschon diese einen Nickelanteil von 8,4 % aufwiesen.

Die Aussage ist unbestreitbar falsch und damit irreführend, § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG. Problematisch war deshalb allein die Frage, ob die klagende Lizenzgeberin überhaupt Mitbewerberin der beklagten Schmuckhändlerin ist und folglich berechtigt war, die Ansprüche gerichtlich geltend zu machen.

Der BGH sieht diese Voraussetzung als erfüllt an. Anders als die Vorinstanzen aber kommt er zu dem Ergebnis, dass die Unternehmen nicht schon deswegen Mitbewerber seien, weil sie gleichartige Waren gegenüber demselben Abnehmerkreis anböten. Das liegt auch nahe, denn die Lizenzgeberin bietet zunächst einmal überhaupt keine Waren, schon gar nicht Schmuckwaren gegenüber Endverbrauchern an.

Das konkrete Wettbewerbsverhältnis liegt nach dem BGH aber darin, dass zwischen Erfolg und Misserfolg der beiden Unternehmen auf dem Markt eine Wechselwirkung bestehe. Mit dieser Überlegung hat die Rechtsprechung schon in der Vergangenheit immer wieder Wettbewerbsverhältnisse angenommen. Voraussetzung ist dabei, dass entweder eine Gleichstellungs- oder Austauschbarkeitsbehauptung vorgenommen wird oder aber dass das Verhalten des einen Unternehmens den Absatz des anderen Unternehmens behindert bzw. stört.

Einen solchen Fall der Absatzbehinderung sah der BGH im zu entscheidenden Fall. Dafür genüge es bereits, dass die – objektiv falsche – Werbeaussage des Schmuckhändlers geeignet sei, den Erfolg der Lizenzvergabe dadurch zu beeinträchtigen, dass dieser letztlich vom Erfolg der unter Nutzung des Patents hergestellten Waren, nämlich Schmuckwaren, behindern könnte. Oder anders: Das Patent der Klägerin wird in der Schmuckherstellung genutzt. Deswegen ist die Klägerin schutzbedürftig gegenüber Aussagen in der Werbung für Schmuck mit Bezug zu dem Patent. Denn irreführende Angaben anderer Schmuckhändler könnten die Lizenznehmer beeinträchtigen, was letztlich auch die Lizenzgeberin berühre (z.B. bei einer Umsatzbeteiligung). Diese sehr vermittelte Betroffenheit reicht aus, um eine Mitbewerber-Eigenschaft zu begründen.

Die Entscheidung zeigt, dass die Rechtsprechung dazu bereit ist, den unscharfen Begriff des Mitbewerbers sehr weit auszulegen, um sachgerechte Ergebnisse bei der Beurteilung von Wettbewerbsstreitigkeiten zu erzielen. Auch nur entfernt mögliche Beeinträchtigungen der eigenen Marktposition können deshalb durchaus mit Aussicht auf Erfolg verfolgt werden. Hierzu ist allerdings immer eine professionelle Betrachtung des jeweiligen Einzelfalls vonnöten.

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