AGB und Individualvereinbarung Teil I

In den Seminaren weise ich stets darauf hin, dass in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Vereinbarung von Regelungen zur Begrenzung der Haftung nicht möglich ist, sondern eine rechtlich wirksame Begrenzung der Haftung nur durch sogenannte Individualvereinbarungen erfolgen kann.

Die sich damit stellenden Fragen lauten: Erstens,  was sind eigentlich Allgemeine Geschäftsbedingungen? Die zweite Frage lautet : was sind eigentlich Individualvereinbarungen? Damit beschäftigt sich dieser Blog.

Warum ist die Abgrenzung zwischen Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Individualvereinbarungen wichtig?

Bevor ich  gleich lang und breit erkläre, was allgemeine Geschäftsbedingungen und was Individualvereinbarungen sind, soll die praktische Relevanz dieser Abgrenzung dargelegt werden.

Beispiel: Es ist in Deutschland nicht möglich,  die Haftung auf eine bestimmte Summe zu beschränken, wenn diese Summe nicht dem typischen Haftungsrisiko entspricht, dass zum Zeitpunkt der Eingehung des Vertrages bestand. Wenn man zum Beispiel einen  Change durchführt, der 3 Tage dauert und sich auf ein Produkt bezieht, dass im Falle des Nichtfunktionierens einen Schaden von 1 Million verursacht,  dann ist es nicht möglich, die Haftung auf das Honorar zu beschränken, dass man mit dem Auftrag verdient. Die Haftung könnte nur wirksam auf 1 Million beschränkt werden. Der BGH hat dieses wirtschaftlich fragwürdige Prinzip  noch einmal im Jahr 2013 bestätigt. Im Prinzip muss jede Leistung so eingepreist werden, dass die Versicherung für das Haftungsrisiko mit im Preis enthalten ist.

Grundlage dieser Entscheidung des BGHs ist der § 307 Abs. 2 BGB. Der § 307 Abs. 2 BGB ist eine der Regelung, die sich mit der Zulässigkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen beschäftigt.

Der Gesetzgeber hat in den siebziger Jahren ein Gesetz erlassen, um die Marktmacht der Konzerne zu begrenzen. Größere Unternehmen hatten mittels des „Kleingedruckten“ immer wieder den Versuch unternommen, den jeweiligen Vertragspartner um bestimmte gesetzliche Rechte zu beschneiden. Kein Verbraucher  und auch die wenigsten Geschäftsleute hatten die Musse oder auch nur die Kompetenz, sich durch die „klein gedruckten“ Vertragsbedingungen zu arbeiten und zu verstehen, welche Folgen diese Regelungen für sie im Einzelfall bedeuten könnten. Der Gesetzgeber reagierte, indem er erstens definierte, was eigentlich allgemeine Geschäftsbedingungen sind, und zweitens Regelungen für unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingungen aufstellte. Dieses AGBG genannte Gesetz ist im Jahr 2002 in das BGB übernommen worden. Es ist in seinen Grundzügen ein Verbraucherschutzgesetz, das richtigerweise davon ausgeht, dass Verbraucher Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht lesen oder nicht verstehen. Die Richtigkeit dieser Annahme des Gesetzgebers wird jedem einzelnen schnell klar, wenn man sich überlegt, wer von uns schon einmal die Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Internethändlers oder zum Beispiel die Eula von Microsoft oder Apple gelesen hat.  Die Antwort ist lapidar: Kaum irgendjemand liest heutzutage noch Allgemeine Geschäftsbedingungen, weil wir uns darüber klar sind, dass unwirksame Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen für uns keine Bedeutung haben. Dies ist die wünschenswerte Konsequenz der Regelungen der § § 305 ff. BGB.

Die §§ 305 ff. BGB bedingen einen starken Eingriff in die marktwirtschaftliche Freiheit der Unternehmen. Viele Dinge,  die vorher geregelt werden konnten, können jetzt nicht mehr einfach vertraglich geregelt werden. Das Maß des Eingriffs unterscheidet Deutschland zum Beispiel stark von der Schweiz, in der viele Regelungen ohne Probleme, jedenfalls im kaufmännischen Verkehr, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelt werden können. Während in der Schweiz eine summenmäßige Beschränkung der Haftung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen weitgehend möglich ist, scheidet eine solche Möglichkeit in Deutschland nicht einmal aufgrund der Gesetzestexte, sondern aufgrund der Interpretation der Gesetzestexte durch den BGH, weitgehend aus.  Man kann in Deutschland die Haftung nicht wirtschaftlich vernünftig in Allgemeinen Geschäftsbedingungen regeln.

Der BGH selbst sagt aber, dass man in Individualvereinbarungen die Haftung weitgehend ausschließen kann. Praktisch alles kann ausgeschlossen werden bis auf eine sittenwidrige und vorsätzliche Verursachung von Schäden. Also kann man auch in Deutschland eine summenmäßige Beschränkung der Haftung in Individualvereinbarungen vornehmen, was man in der Schweiz bereits in Allgemeinen Geschäftsbedingungen tun kann.

Der Terminus Allgemeine Geschäftsbedingungen sagt dem Juristen folglich, wann die § § 305 ff. BGB anwendbar sind. In der Sprache der Techniker: Es ist eine Flagg. Hat man es mit einer allgemeinen Geschäftsbedingungen zu tun, muss man anhand der Rechtsprechung des BGHs zu den § § 305 ff. BGB prüfen, ob die einzelne vertragliche Regelung wirksam ist oder nicht. Hat man es mit einer Individualvereinbarung zu tun,  gelten weitgehend die Regelungen der Vertragsfreiheit: und Vieles,  Vieles von dem, was man gern in Verträgen regeln möchte, lässt sich auch tatsächlich realisieren.

Allgemeine Geschäftsbedingungen:

 

Nach den § 305 Abs. 1 BGB liegen dann Allgemeine Geschäftsbedingungen vor, wenn es sich um eine Vielzahl von Verträgen vorformulierter Vertragsbedingungen handelt.

„Vorformuliert“:

Vorformulierte Vertragsbedingungen sind Mustertexte, Standardverträge oder auch nur Regelungen für einzelne rechtliche Passagen, die nicht im Einzelfall  mit dem jeweiligen Kunden neu erstellt werden, sondern eben schon vor den Vertragsverhandlungen existieren.

Da im kaufmännischen Verkehr kein Mensch jede Regelung bei Vertragsverhandlungen neu erfindet, kann man davon ausgehen, dass praktisch alle juristischen Regelungen, die man im normalen Geschäftsverkehr sieht, unter den Terminus der Allgemeinen Geschäftsbedingungen fallen.

Der Terminus Allgemeine Geschäftsbedingungen wird immer verwendet, wenn Standardverträge im Ganzen oder einzelne Regelungen vorformuliert sind. Steht zum Beispiel in Ihren Angeboten eine Regelung, nach deren Inhalt der Kunde eine Zahlung binnen 14 Tagen nach Zugang der Rechnung leisten soll, handelt es sich hierbei um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, die nach dem § § 305 ff. BGB zu beurteilen ist. Nicht nur einzelne Regelungen, sondern ganze Verträge werden vorformuliert und deshalb sind auch die Verträge mit allen ihren einzelnen Regelungen als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu qualifizieren.

„Verwender“:

Die zweite Tatbestandsvoraussetzung des § 305 Abs. 1 BGB lautet, dass die Vertragsbedingungen von einer Partei in den Vertrag eingebracht sind. Sie müssen von einer Partei einseitig gestellt werden. Diese Partei, die die rechtlichen Regelungen stellt, heißt in dem juristischen Jargon Verwender. Die Frage, wer eigentlich der Verwender ist, richtet sich schlicht danach, wer die Vertragsbedingungen mit in die Vertragsverhandlungen einführt. Es ist also egal, ob der Kaufmann selbst die vertraglichen Regelungen erstellt (oder er es sich aus dem Internet zusammen kopiert) oder ob er die Verträge verwendet,  die er durch einen Rechtsanwalt hat erstellen lassen. Sobald er diese Vertragsbedingungen mit in den Verhandlungsprozess einführt, ist er Verwender. Die Qualifikation des Verwenders ist unabhängig von der Marktmacht des Unternehmens, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen in die Vertragsverhandlungen einführt. Diese missratene gesetzgeberische Regelung führt dazu, dass große Konzerne durch das Gesetz genauso geschützt werden wie der Verbraucher oder kleinere Unternehmen. Sofern man Allgemeine Geschäftsbedingungen mit in die Vertragsverhandlungen einführt, ist man Verwender und der andere Teil wird unabhängig von der Marktmacht  durch das Gesetz geschützt.

Wichtig ist noch, dass dann, wenn die Vertragsbedingungen überhaupt noch nicht feststehen, sondern man dem Kunden ein weißes Blatt Papier übergibt  mit der Bitte, eine bestimmte Regelung gemeinschaftlich zu finden, keine der Parteien als Verwender gilt.  Das ist insbesondere wichtig für die Frage, wie man eine Individualvereinbarung abschließen kann. Wir geben unseren Mandanten ein Formular für die Haftungsbeschränkung, dass an bestimmten Stellen überhaupt keine Regelung enthält. Anstelle dessen wird an diesen Stellen dargelegt, dass der Kunde, wie auch der eigene Mandant die Möglichkeit hat, den Inhalt der Regelung wie auch die Formulierung der Regelung im Rahmen  der Verhandlungen festzulegen. Das machen wir, um auszuschließen, dass die Haftungsbeschränkung als einseitig vorformulierte Regelung und damit Allgemeine Geschäftsbedingung  qualifiziert werden kann. Und in diesem Kontext auch ganz klar: Wenn sie dem Kunden Vorgaben machen, wie die Haftung zu beschränken ist, geben sie ihm bereits vorformulierte Regelungen an die Hand. Nach der Rechtsprechung des BGH reicht es für den Abschluss einer Individualvereinbarung nicht aus, wenn der Kunde nur auf  eine vorformulierte Regelung reagiert. Selbst in dem Fall, in dem der Kunde rechtsanwaltlich beraten ist und auf die vorformulierte Regelung zustimmend reagiert, handelt es sich nicht um eine Individualvereinbarung, sondern um eine Allgemeine Geschäftsbedingung. Das Ergebnis ist, dass der Kunde, der einmal gesagt hat, ich bin mit dieser Regelung einverstanden an anderer Stelle sagen kann, es handelte sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, die inhaltlich nichtig ist. Ich halte diese Entscheidung des BGHs (22.11.2012( VII ZR 222/12) für völlig abwegig, weil es den Menschen eigentlich überlassen sein sollte, selbst zu entscheiden was man will oder nicht. Aber der BGH ist anderer Ansicht und hat wie der liebe Gott hier das letzte Wort.

 

 

 

 

 

 

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