Datenschutzrecht: Strenge Anforderungen für Werbung unter Verwendung von Sozialdaten

Rechtsanwalt Alexander Tribess
Das deutsche Datenschutzrecht ist im BDSG nicht erschöpfend geregelt. Vielmehr gibt es daneben weitere speziellere Vorschriften zum Datenschutz. Eine dieser besonderen Regelungen betrifft sogenannte Sozialdaten, also Daten, die von sozialrechtlichen Leistungsträgern im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung erhoben und verarbeitet werden (§ 35 SGB I). Im Rahmen der Werbung wird dieser Begriff weit verstanden (LG Berlin, Urteil vom 14.06.2016 – 16 O 446/15).
Im konkreten Fall ging es um eine Werbeaktion einer gesetzlichen Krankenkasse. Diese hatte Flyer verteilt. Hierauf konnten Interessenten ihre Adressdaten eintragen, um von der Krankenkasse eine Nasenspülkanne zugesandt zu bekommen. Außerdem war ein Ankreuzfeld vorgesehen, mittels dessen eine Einwilligung in die telefonische Werbung erteilt werden konnte.
Der Kläger erachtete diese Aktion wegen eines Verstoßes gegen den Sozialdatenschutz für unzulässig und bekam vor dem Landgericht Berlin Recht. Das Gericht nahm dabei an, dass die Regelungen zum Sozialdatenschutz wettbewerbsschützenden Charakter hätten. Damit setzt das LG Berlin eine inzwischen lange Reihe von Urteilen verschiedener Gerichte fort, die datenschutzrechtliche Bestimmungen als Marktverhaltensregeln anerkennen. Hierdurch werden Verstöße gegen das Datenschutzrecht vermehrt von Mitbewerbern oder Verbänden verfolgt – das Risiko für eine Inanspruchnahme steigt dadurch nicht unerheblich.
In der Sache stellt das LG Berlin fest, dass bereits die Sammlung von Adressen im Rahmen einer Werbeaktion bzw. die Einholung einer Einwilligung in die telefonische Werbung durch eine gesetzliche Krankenkasse den so erhobenen Daten den Charakter als Sozialdaten verleihe. Damit ist der Anwendungsbereich der §§ 67 ff. SGB X eröffnet.
Das bedeutet, dass besonders strenge Anforderungen gelten, wenn es darum geht die Betroffenen über den Zweck der Datenerhebung und deren weiterer Verarbeitung zu informieren. Es muss genau mitgeteilt werden, welchen Zwecken etwaige Werbeanrufe dienen sollen, § 67a Abs. 3 SGB X. Hierzu ist es notwendig, deren potentiellen Inhalt zu umreißen. Der bloße Hinweis, man wolle über die eigenen Leistungen informieren, sei nicht ausreichend.
Daneben gelten auch im Recht des Sozialdatenschutzes die aus dem allgemeinen Datenschutzrecht bekannten Anforderungen. Danach muss eine Werbeeinwilligung drucktechnisch besonders hervorgehoben werden, § 67b Abs. 2 Satz 4 SGB X. Außerdem muss der Betroffene bei einer Werbeeinwilligung ausdrücklich auf sein Widerrufsrecht hingewiesen werden, § 28 Abs. 4 Satz 2 BDSG (der hier mangels spezieller Regelung im SGB X als allgemeine Vorschrift gilt).
Der Betroffene muss schließlich bei der Einwilligung in die Erhebung von Sozialdaten auf die Folgen der Verweigerung einer solchen Einwilligung besonders hingewiesen werden, § 67b Abs. 2 Satz 1 SGB X. Hier hätte also darauf hingewiesen werden müssen, dass die Verweigerung der Werbeeinwilligung keinen Einfluss auf den Erhalt des Werbegeschenks hat.
Im Bereich der Werbung unter Verwendung von Sozialdaten ist – das macht das Urteil deutlich – besonders sorgfältig auf die Gestaltung von Einwilligungserklärungen zu achten. Ansonsten drohen auch in diesem Bereich Abmahnungen durch Mitbewerber oder Verbände. Auch Verbraucherschutzverbände haben seit einiger Zeit ein Verbandsklagerecht bei Datenschutzverstößen. Und gerade auch sozialrechtliche Leistungsträger dürften hier leicht in den Fokus geraten.