IT-Vergabe: Zurechnung des Fehlverhaltens von Beratern

Rechtsanwalt Alexander Tribess
Rechtsverstöße im Rahmen eines Vergabeverfahrens können für den betroffenen Bieter schwerwiegende Folgen haben. Es droht nicht nur den Ausschluss aus dem konkreten Ausschreibungsprojekt. Vielmehr kann der Bieter auch von künftigen Vergabeverfahren ausgeschlossen werden. Wegen der weitreichenden Konsequenzen darf Bietern das Verhalten Dritter nicht ohne Weiteres zugerechnet werden (EuGH, Urteil vom 21.07.2016 – C-542/14).
Darum ging’s: Ein Bieter hatte sich im Rahmen eines Vergabeverfahrens an einen Berater gewandt. Dieser sollte ihn bei der Angebotsvorbereitung unterstützen. Zu diesem Zweck übermittelte der Bieter seinem Berater diverse Unterlagen. Der Berater hatte allerdings wegen derselben Ausschreibung bereits zwei andere Aufträge von Mitbewerbern angenommen, die er ebenfalls beriet. Der Berater nutzte die ihm überlassenen Informationen, um die Angebote seiner anderen Kunden darauf abzustimmen. Das fiel auf, und alle drei betroffenen Unternehmen wurden wegen kartellrechtswidriger Absprachen vom Vergabeverfahren ausgeschlossen.
Hiergegen wehrte sich der ahnungslose Bieter und bekam schließlich Recht. Denn der EuGH kam zu dem Schluss, dass dem Bieter das Verhalten des untreuen Beraters nicht zugerechnet werden dürfe. Das Gericht stellt insgesamt vier Fallgruppen vor, die eine Zurechnung erlauben bzw. notwendig machen:
- Natürlich muss der Bieter für das Fehlverhalten derjenigen Personen einstehen, die Teil seines Unternehmens sind.
- Dem Bieter zugerechnet werden auch Verstöße von Personen, die sonst unter seiner Kontrolle stehen. Das können z.B. Scheinselbstständige sein, die nur formal außerhalb des Unternehmens stehen. Hierunter dürften aber auch Verstöße innerhalb eines Konzerns fallen.
- Hat der Bieter zwar keine Kontrolle im vorstehenden Sinn, kennt er aber die Umstände des Fehlverhaltens und wirkt an diesem Verhalten unterstützend mit, wird ihm der Verstoß ebenfalls zugerechnet.
- Schließlich darf sich der Bieter einer solchen Kenntnis auch nicht verschließen. Muss er vernünftigerweise den Verstoß erkennen, darf er sich nicht einfach in sein Schicksal fügen. Sonst erfolgt ebenfalls eine Zurechnung.
Liegt keine der vorgenannten Fallgruppen vor, ist der Bieter also tatsächlich ahnungslos und erfolgt der Vergaberechtsverstoß auch nicht durch Personen, die der Kontrolle des Bieters unterstehen, dann kann ihm ein Fehlverhalten nicht zugerechnet werden.
Für den konkreten Auftrag bedeutet dies, dass ein Austausch von Nachunternehmern ausreichen kann, das Angebot zu retten. Und bei künftigen Ausschreibungen kann der Bieter dann weiterhin mit „weißer Weste“ antreten.