Überstunden und Unterhalt bei Angestellten und Selbständigen

Erhöhen Überstundenpauschalen das Einkommen des Unterhaltspflichtigen, wenn die Mehrarbeit betrieblich erforderlich und üblich sowie für den Unterhaltsschuldner nicht freiwillig sind.?

Ja, meint das OLG Hamm (Urteil vom 29.6.2009, II-6 UF 225/08). Die Überstundenpauschale sei dann wie ein tatsächlich erzielter Einkommensbestandteil zu berücksichtigen. Also mehr Unterhalt aus Mehrarbeit.

Offenbar hat das Gericht, das mit dieser Auffassung nicht allein dasteht, das Unbehagen der betroffenen Unterhaltsschuldner gespürt. Denn es gab noch eine Art Hilfsbegründung. Im entschiedenen Fall hatte sich der Unterhaltsschuldner zuvor um eben diesen Arbeitsplatz zwecks Verbesserung der Einkommenssituation zugunsten der Familie bemüht.

Aber was ist in denjenigen Fällen, wo der Unterhaltsschuldner die Mehrarbeit freiwillig leistet oder schlichtweg die durch das Scheitern der Ehe gewonnene Zeit in Mehrarbeit umsetzt? Das gilt in besonderem Maße für Gesellschafter, Geschäftsführer und Freiberufler, also alle Unternehmer, die den Umfang ihrer Arbeitsleistung (auch) in hohem Maße selbst steuern.

Soll die Familie jetzt auch noch von der Trennung – oder dem individuellen Umgang des Unterhaltsverpflichteten mit dieser Trennung – auch noch wirtschaftlich profitieren? Das läßt sich mit ehelicher Solidarität nicht mehr überzeugend begründen, meine ich.

Und ob die „Freiwilligkeit“ hier das rechte Abgrenzungskriterium ist, wage ich zu bezweifeln. Denn eine solche Freiwilligkeit dürfte in der Praxis bei Unternehmern , anders als bei Angestellten, schwer überprüf- oder nachweisbar sein.

Ich meine daher, freiwillige Mehrarbeit nach Trennung, darf nicht zu einer Erhöhung des Ehegattenunterhalts führen. Denn der Unterhaltspflichtige „opfert“ hier seine Freizeit. Ein Opfer, dass man doch auch vom unterhaltsberechtigten Ehegatten verlangen könnte.

Beim Kindesunterhalt, speziell minderjähriger Kinder, ist eine differenziertere Betrachtung geboten, da diese regelmäßig auf Unterhalt angewiesen sind. Ist der Mindestunterhalt ohne die Mehrarbeit nicht gewährleistet, muss diese Mehrarbeit voll einfließen. Oberhalb des Mindestunterhalts anteilig, meine ich, wobei die Einkommens- Bedarfs- und Lebenssituation auf beiden Seiten individuell berücksichtigt werden sollte.

Fazit:

Wer seine Arbeitszeit nach der Trennung ausweitet und dadurch mehr verdient, sollte zuvor die möglichen Konsequenzen bedenken und besser prüfen lassen. Sonst könnte es sein, dass ihm von seiner Mehrarbeit kaum etwas übrig bleibt.

Beim Unternehmer taucht dieses Problem hingegen meist verschoben auf, da sich seine unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit primär über die Gewinne seiner Tätigkeit definiert als denn über den dafür geleisteten Zeiteinsatz. Da aber beides regelmäßig zusammenhängt, ist auch hier Vorsicht geboten. Allerdings hat der Unternehmer hier weiterreichend Gestaltungsspielräume.

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