AGB-Recht: Verlängerter Eigentumsvorbehalt I

Unter dem Begriff des verlängerten Eigentumsvorbehalts wird eine rechtliche Konstruktion verstanden, nach deren Inhalt sich der AGB-Verwender anstelle der ursprünglichen Sicherheit am Eigentum andere Sicherheiten abtreten lässt. So wird vereinbart, dass anstelle des Eigentumsvorbehalts eine künftige Sicherheit durch Abtretung von Erlös- oder Verarbeitungsforderungen eingeräumt werden. An die Stelle der zu sichernden Forderungen tritt der Ersatz.

Kollision von Einkaufs- und Verkaufsbedingungen

Sofern die Einkaufsbedingungen des Käufers keine Abwehrklausel beinhalten, nach deren Inhalt die Vereinbarung des verlängerten Eigentumsvorbehalts ausgeschlossen sein soll, gilt, dass der verlängerte Eigentumsvorbehalt vereinbart wird.

Schwierigkeiten entstehen dann, wenn der verlängerte Eigentumsvorbehalt durch die Einkaufs-AGB ausgeschlossen werden soll. In diesen Fällen wird man richtigerweise davon ausgehen müssen, dass kein verlängerter Eigentumsvorbehalt vereinbart wird. Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Käufers soll genau dies ausgeschlossen werden. Und eine Verkehrssitte, nach deren Inhalt sich der verlängerte Eigentumsvorbehalt immer durchsetzt, besteht nicht.

Vorausabtretungsklauseln

Die Regelung, nach der eine in Zukunft entstehende Forderung abgetreten werden kann, ist rechtlich deshalb nicht unwirksam, weil die Forderung noch nicht bestimmt ist. Dem BGH reicht es aus, wenn die Forderung bestimmbar ist. Insofern muss die Klausel klar erkennen lassen, auf welche Forderungen sich die zukünftigen Abtretungen beziehen. Sofern ein Kontokorrentverhältnis zwischen den Vorbehaltskäufer und Verkäufer begründet ist, muss die Klausel eindeutig bestimmen, dass sich die Abtretung auf den kompletten Kontokorrent erstreckt. Gerade unter dem Gesichtspunkt dessen, dass Sicherungsklauseln im Falle der Insolvenz des Vorbehalts des Käufers greifen sollen, sollte klargestellt werden, dass die Forderung sich nur auf den „kausalen Saldo“ bezieht.

Ein großes Problem besteht bei der Formulierung von Klauseln, die eine Übersicherung des Vorbehaltsverkäufers ermöglichen. Natürlich ist es möglich, eine Klausel so zu formulieren, dass man sich den Wert der Vorbehaltsware abtreten lässt. Eine darüber hinausgehende Sicherung in Höhe von etwa 150 % der jeweiligen dürfte unzulässig sein. Klauseln, nach deren Inhalt sich der Vorbehaltsverkäufer mehr als die eigentlich aus der Rechnung geschuldete Summe abtreten lässt, sind in der Praxis nicht selten zu finden. Hintergrund ist natürlich der Umstand, dass mit der außergerichtlichen bzw. gerichtlichen Geltendmachung der Forderung  Kosten verbunden sind, die der Vorbehaltsverkäufer gerne erstattet hätte. Nur dürfen diese Interessen nicht dazu führen, dass eine Übersicherung eintritt. Ich kann nur dazu raten, von Klauseln Abstand zu nehmen, die mehr als 20 % der jeweils offenen Forderung sichern sollen. Solche Klauseln führen regelmäßig zu Auseinandersetzungen mit dem Insolvenzverwalter, der in diesen Fällen häufig rein faktisch am längeren Hebel sitzt.

Die Befugnis zur Weiterveräußerung

Die Befugnis zur Weiterveräußerung ist normalerweise in den Klauseln zur Vorausabtretung implizit enthalten. Diese Klauseln werden regelmäßig so eingeschränkt, dass eine Weiterveräußerung im ordnungsgemäßen Geschäftsgang als genehmigt gilt. Der ordnungsgemäße Geschäftsgang bezeichnet die Tätigkeiten, die ein Unternehmer normalerweise vornimmt, nachdem er die Eigentumsvorbehaltsware eingebaut oder verarbeitet hat. Dementsprechend gehören die Sicherungsübereignung oder Verpfändung nicht zum ordnungsgemäßen Geschäftsgang. Hierdurch würde das Sicherungsrecht des ursprünglichen Eigentümers beeinträchtigt. Die Befugnis zur Weiterveräußerung kann widerrufen werden. Allerdings widersprechen Klauseln, nach deren Inhalt der Widerruf ohne legitimen Grund erfolgen kann, als bedenklich. Der Widerruf kann nicht aus jedem Grund erklärt werden, sondern nur dann, wenn der Zweck der Sicherungsübereignung gefährdet ist.

Verarbeitungsklauseln

Durch die Verarbeitung einer Ware geht das ursprüngliche Eigentum des Lieferanten verloren. Der Hersteller wird Eigentümer der Ware. Nach der Rechtsprechung des BGH können die Parteien allerdings vereinbaren, wer Hersteller nach § 950 BGB ist. Auch hier ist aber streng darauf zu achten, dass eine Übersicherung des Lieferanten unterbleibt. Sofern nur ein geringer Anteil der hergestellten Sache tatsächlich aus der gelieferten Sache resultiert, muss man aufpassen, ob eine Übersicherung nicht gegen Treu und Glauben verstößt.

Der Vorbehaltsverkäufer sollte in den AGB bestimmen, dass die Verarbeitung im Auftrag des Verkäufers erfolgt, da anderenfalls Unsicherheiten darüber entstehen, ob die Verarbeitung tatsächlich mit seiner Zustimmung erfolgt ist und damit eine Zuordnung nach § 950 BGB gewährleistet ist. Die dem Vorbehaltsverkäufer zustehende Forderung darf sich nicht auf den Wert der erstellten oder hergestellten Sache beziehen. Der Wert selbst lässt sich ja nicht auf die ursprünglich zu sichernde Forderung beziehen, sodass Zweifel an der Bestimmbarkeit bestehen. Insofern ist auf den Endbetrag abzulegen, der der zu sichernden Forderung entspricht. Auch gilt es unter dem Gesichtspunkt der Übersicherung klarzustellen, dass andere Kreditgeber des Arbeitenden nicht leer ausgehen. Auch hier tut man gut daran, die Forderung auf den Faktor Endbetrag zu konkretisieren und nicht über den Wert der herzustellenden Sache zu bestimmen.

Verbindungs- und Vermischungsklauseln

Auch durch die Verbindung und Vermischung von Waren kann das Eigentum an der ursprünglich gelieferten Sache untergehen. Sofern der Vorbehaltskäufer den Lieferanten Miteigentum einräumt, entsteht nach § 947 BGB Miteigentum im Verhältnis des anzusetzenden Wertes. Liefern mehrere Lieferanten Stoffe, die miteinander verarbeitet werden und übersteigt der Wert der Stoffe insgesamt 100 % des hergestellten Stoffes, so werden die Wertanteile der gelieferten Forderungen total gekürzt. Beim Einbau in eine unbewegliche Sache tritt der Eigentumsverlust nach § 946 BGB ein. Faktisch bedeutet das, dass derjenige, der Stoffe liefert, diese auch dann nicht einfach wieder wegnehmen kann, wenn die Ware nicht bezahlt wird.

Einziehungsermächtigung

Zugunsten des Lieferanten wird regelmäßig eine Einziehungsermächtigung eingeräumt, da der Verkäufer nichts von der Sicherungsabtretung weiß (und auch nicht wissen soll).

Schwierig sind die Momente zu beurteilen, in denen der Vorbehaltskäufer an einen Kunden liefert, der seinerseits in seinen Einkaufsbedingungen ein Abtretungsverbot hat. Hier hilft die Vereinbarung eines Kontokorrentverhältnisses, da die Abtretung von Einzelforderungen ausgeschlossen ist, soweit sie in ein Kontokorrentverhältnis eingestellt werden.

Unter allen Umständen zu empfehlen, ist die Vereinbarung einer Verrechnungsabrede, die bestimmt wie der Rang der Forderungsteile festzulegen ist. Eine Vermutung, es bestehe eine Rangabrede, die besage, dass eingehende Zahlungen im Verhältnis ihrer Forderung aufzuspalten sind, besteht nicht. Liefern also mehrere Lieferanten an einen Vorbehaltskäufer, der Ware verarbeitet, vermengt oder verbindet, so muss man genaue Bestimmungen darüber treffen, in welchem Rang die einzelnen Lieferanten gezahlt werden sollen.

Übersicherung

Der BGH geht davon aus, dass zwischen den Parteien ein Treuhandverhältnis besteht. Selbst dann, wenn keine wirksame Vereinbarung zur Freigabe der Forderung vorliegt, ist der Sicherungsgeber aufgrund des Treuhandverhältnisses verpflichtet, Sicherheiten schon vor Beendigung des Vertrags freizugeben. Dieser Anspruch folgt aus Treu und Glauben auch dann, wenn der Sicherungsvertrag keine ausdrückliche Freigaberegelung enthält. Sofern eine unwirksame Freigabeklausel vereinbart ist, führt dies nicht zur Gesamtnichtigkeit. Dies gilt insbesondere für Klauseln, nach deren Inhalt die Entscheidung über das Ob und wie viel der Freigabe im Ermessen des Sicherungsgebers steht. Nach Ansicht des BGH wird diese ermessensabhängige Klausel durch eine ermessensunabhängige Klausel ersetzt. Selbst dann wenn die Klausel eine unangemessene Übersicherung beinhaltet, besagt die Rechtsprechung des BGH, dass die Deckungsgrenze bei 110 % der besicherten Forderungen liegt und spätestens dann, wenn 150 % des Wertes der gesicherten Forderung erreicht sind, ein Freigabeanspruch entsteht. Also völlig unabhängig davon, ob die Klausel eine wirksame Sicherung erreicht hat oder nicht: Das Sicherungsrecht besteht, jedoch mit der Maßgabe, dass eine Übersicherung von mehr als 110 % unwirksam ist und ein Freigabeanspruch entsteht, wenn 150 % der offenen Forderung gedeckt sind.

Dabei bezeichnet der Terminus des Sicherungswertes den Erlös, der bei der Verwertung der Sicherheiten erzielt werden kann. Das ist im Grundsatz der Marktpreis und  – sofern ein solcher nicht bekannt ist –  der Einkaufs- oder Herstellungspreis. Die pauschalen 10 % zzgl. des Sicherungswertes stammen aus den §§ 171 Abs. 1 Satz 2 und 171 Abs. 2 Satz 1 BGB, da die Feststellungs- und Verwertungskosten mit 9 % fixiert werden.

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