Markenrecht: Die Relevanz von Vermarktungskonzepten

Bei der Prüfung des Vorliegens einer Verwechslungsgefahr zwischen zwei Zeichen kommt es auf die abstrakte Verwechselungsgefahr an. Die konkrete Verkaufssituation ist dabei unerheblich. Anhand dieser abstrakten Verwechslungsgefahr wird sodann aufgrund der drei maßgeblichen Hauptfaktoren geprüft, ob eine solche Verwechslungsgefahr vorliegt. Diese drei Hauptfaktoren sind: die Ähnlichkeit der Zeichen, die Ähnlichkeit der Waren und/oder Dienstleistungen sowie die Kennzeichnungskraft der geltend gemachten Marke. Zwischen diesen drei Faktoren besteht eine Wechselbeziehung. So kann zum Beispiel ein geringer Grad an Waren und/oder Dienstleistungsähnlichkeit durch einen höheren Grad der Zeichenähnlichkeit ausgeglichen werden und umgekehrt.

Bei der Ähnlichkeit der Zeichen kommt es nicht nur auf die Ähnlichkeit der Zeichen selbst an, sondern auch auf die klangliche und inhaltliche Ähnlichkeit.

Ob eine Verwechslungsgefahr vorliegt, hängt von der Verkehrsauffassung des Publikums ab. Damit ist die Durchschnittsauffassung des aktuellen oder potentiellen Abnehmers der maßgeblichen Waren und/oder Dienstleistungen gemeint. 

Vielfach wird bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr das individuelle Vermarktungskonzept eines Markeninhabers angeführt. Das europäische Gericht (EuG) hat nunmehr in einer Entscheidung vom 10.11.2011, Aktenzeichen T-22/10, entschieden, dass solche individuellen Vermarktungskonzepte des jeweiligen Markeninhabers nicht zu berücksichtigen sind. Im konkreten Fall handelte es sich um zwei sich gegenüberstehende Wort-Bildmarken, die für identische Waren eingetragen wurden. Bei dem streitgegenständlichen Zeichen handelte es sich jeweils um den Buchstaben „e“, der kursiv geschrieben wurde. Bei der jüngeren Marke wurde das „e“ auf eine Hosentasche angebracht und bildete gemeinsam mit der Darstellung der Hosentasche eine Einheit. Gegen das jüngere Zeichen wurde Widerspruch bei dem Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt eingelegt. Dem Widerspruch wurde stattgegeben und diese Entscheidung sodann von der zuständigen Beschwerdekammer bestätigt.

Das EuG war der Auffassung, dass das Hosentaschenmotiv im Gesamteindruck der jüngeren Marke in den Hintergrund tritt. Das Hosentaschenmotiv war somit nicht relevant bei der Prüfung, ob die zwei sich gegenüberstehenden Zeichen verwechslungsfähig sind. Wie das maßgebliche Element der Marke dann tatsächlich auf der Ware selbst angebracht oder auch sonst zur Kennzeichnung der Ware präsentiert wird, war für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr nicht relevant. Bei der Gegenüberstellung der beiden Zeichen „e“ war dann eine Ähnlichkeit zwischen den Zeichen zu erkennen. Aufgrund der Ähnlichkeit der Waren war die Verwechslungsgefahr gegeben. Obgleich die Inhaberin der jüngeren Marke der Auffassung war, dass sie als Modeunternehmen selbst so bekannt sei, dass die angesprochenen Verkehrskreise dieses Zeichen mit ihr in Verbindung bringen, wurde diese Argumentationslinie nicht von dem EuG gefolgt. Das Gericht war der Auffassung, dass das konkrete Zeichen für sich gesehen nicht mit dem Unternehmensnamen in Zusammenhang zu bringen sei.

Aus diesem Urteil ist für den Markeninhaber erneut klargestellt worden, dass es nicht auf die tatsächliche Art und Weise der Verwendung einer Marke ankommt, wenn eine Kollision geprüft wird. Diese Aspekte werden bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr nicht berücksichtigt.

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