IT-Recht: Wettbewerbsverbot für freie Mitarbeiter

Das OLG Dresden hat in einer Entscheidung vom 13.09.2011 – 5 U 236/11 – entschieden, dass ein nachträgliches Wettbewerbsverbot ohne Zahlung einer Karenzentschädigung für Programmierer unzulässig ist. Das ist für sich gesehen keine neue Erkenntnis. Die Rechtsprechung besagte schon lange, dass in Ansehung der §§ 74, 92a HGB in Verträgen mit „Freiberuflern“ vereinbarte Wettbewerbsverbote nur dann wirksam sind, wenn der Geschäftsherr dem freien Mitarbeiter eine Karenzentschädigung für die Dauer des Wettbewerbsverbots zahlt (Vgl. BGH CR 05, 254). Die gesetzliche Wertung des § 74 Abs.2 HGB gilt eben nicht nur für Angestellte, sondern auch für freie Mitarbeiter, sofern diese von dem Geschäftsherrn wirtschaftlich abhängig sind.

Das bemerkenswerte an der Entscheidung des OLG: Der Programmierer war praktisch nur für den Geschäftsherren tätig. Zwischen ihm und dem Geschäftsherren bestand aber ein Vertrag, nach dessen Inhalt der Programmierer versicherte, seinen Arbeitsplatz und seine Arbeitszeit frei wählen zu können; er unterliege keiner Weisungsgebundenheit und könne seine Arbeit selbst organisieren. Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot betrug mehr als ein Jahr, eine Karenzentschädigung wurde nicht vereinbart. Anstelle dessen sollte eine Vertragsstrafe verwirkt sein, wenn der Programmierer für denselben Auftraggeber des Geschäftsherren tätig werden sollte.

Nach Ansicht des OLG Dresden kommt es aber nicht auf den Inhalt des Vertrags an oder darauf, dass der Programmierer seinen Arbeitsplatz selbst habe wählen können. Das Gericht entschied – und das ist nachvollziehbar -, dass der Programmierer aufgrund seiner Arbeitsauslastung nur für den Auftraggeber tätig gewesen sei. Es habe schon aufgrund der Arbeitsauslastung gar keine Möglichkeit bestanden, für andere Kunden zu arbeiten.

Zudem sei der Programmierer im Rahmen einer Gruppe von anderen Programmierern tätig gewesen und habe deshalb Arbeitszeiten und Pausen nicht selbst bestimmen dürfen.

Ergebnis: Das Wettbewerbsverbot war unwirksam. Die Vertragsstrafe nicht geschuldet. Und dem Programmierer stand eine Vergütung zu.

Für die Praxis ist das ein schönes Alarmsignal. Ich werde in den Seminaren immer gefragt, ob man wirksam mit „freien“ Wettbewerbsverbote vereinbaren kann. Die Antwort ist: Mit „Freien“ kann man das, aber die meisten Subunternehmer sind eben keine freien Mitarbeiter, sondern eher Scheinselbstständige. Man mache sich nichts vor: Wenn der GU oder Geschäftsherr die Arbeitszeit des Freien zu mehr als 90% pro Jahr auslastet, wenn der der GU oder Geschäftsherr mit seinen Kunden SLA´s abgeschlossen hat, die eine bestimmte Fehlerreaktionszeit beinhalten, ist es eine Verheißung (und nichts mehr) sich darauf zu verlassen, dass die gesetzlichen Regelungen nicht greifen. Im Falle eines Rechtsstreits braucht der Programmierer nur nachzuweisen, dass er im Jahr mehr als 5/6 für den einen Auftraggeber gearbeitet hat und aufgrund der Notwendigkeit, den vom Endkunden geforderten SLA auch zu realisieren, auch stets einsatzbereit sein musste. Gerade dann, wenn SLA durch „Freie“ realisiert werden, besteht für diese ja keine Chance, für andere Auftraggeber zu arbeiten. Und spätestens dann sollte man die Finger von einem Wettbewerbsverbot lassen.

Stefan G. Kramer, April 2012.

Weitere Beiträge

Markenanmeldung einfach erklärt

Sie haben ein Produkt und jeder soll wissen, dass es zu Ihrer Firma gehört. Um einen Wiedererkennungswert zu schaffen, denken Sie sich einen passenden Namen für das Produkt aus. Sie betreiben ein kostenintensives Marketing und investieren in die Qualität des

Mehr lesen »

AÜG für die IT 2024 Teil II

III. Abgrenzbares/ dem Auftragnehmer als eigene Leistung zurechenbarer Auftrag Wie sollen die Einzelverträge /SOWs/ Aufträge formuliert sein? 1.) Abgrenzbares Werk Nach der Rechtsprechung soll es entscheidend sein, ob ein abgrenzbares, dem Auftragnehmer als eigene Leistung zurechenbares Werk, vertraglich vereinbart ist

Mehr lesen »

Markenschutzfähigkeit bejaht für #darferdas

Die Entscheidung des BGH ist bereits vom 30.01.2020 (Az. I ZB 61/17 (pdf)). Sie zeigt aber, wie schwierig es sein kann, eine Marke anzumelden, die nicht aus reinen Phantasie-Wörtern oder Begriffen besteht und vielleicht auch nicht besonders originell ist. Angemeldet wurde die Marke

Mehr lesen »
Nach oben scrollen