Softwarevertragsrecht: Aufklärungs- und Beratungspflichten im Vorfeld des Vertragsabschlusses

Vorvertragliche Aufklärungs- und Beratungspflichten spielen in der Praxis eine große Rolle. Oft genug beklagt der Kunde, er selbst habe nicht ausreichend Sachkunde und habe sich „blind“ auf die Aussagen des „IT“ und „Branchenerfahrenen“ Lieferanten verlassen. Dieser habe aber bestimmte Punkte nicht ausreichend erklärt oder gar absichtlich verschleiert. Solche Vorwürfe tauchen immer dann auf, wenn der Kunde nach Abschluß des Vertrags die Entdeckung macht, daß das Produkt für das er sich entschieden hat, nicht seinen Vorstellungen entspricht. Was also sind gesetzliche Beratungs- und Aufklärungspflichten?

Aufklärung und Beratung

Der Jargon der Juristen unterscheidet Aufklärung und Beratung. Während eine Beratungspflicht verletzt wird, wenn der Kunde sachbezogene Fragen stellt und diese nicht vollständig und richtig beantwortet werden, wird eine Aufklärungspflicht nur dann verletzt, wenn das IT-Unternehmen eine Pflicht zur eigeninitiativen Beratung trifft. Aufklärung bedeutet, jemanden Kenntnisse zu vermitteln, die er offenkundig nicht hat und für eine angemessene Entscheidung verwenden kann und nach menschlichem Ermessen auch verwenden müsste.

Leistungsbeschreibung

Der Kunde ist grundsätzlich derjenige, der ein fachliches Anforderungsprofil erstellt und mit in die Vertragsverhandlungen einbringt. Es gibt hier eine Reihe von veralteten Entscheidungen, die sich in der juristischen Literatur finden lassen. Die Verwendung dieser Entscheidungen im Jahre 2014 ist aber stets dem Makel ausgesetzt, den Wandel der Zeit nicht ausreichend abzubilden. Was im Jahr 1988 das OLG Hamm über die Fachkunde des Kunden festgestellt hat, muß mehr als Jahre später keine Rolle mehr spielen. Das Gericht ging damals davon aus, daß das IT-Unternehmen dem Kunden einen Vorschlag für die Organisation des eigenen Unternehmens unterbreiten soll. Aus  der heutigen Sicht erscheint mir das glatt falsch und es gibt auch keine weiteren Entscheidungen, die in diese Richtung deuten und veröffentlicht wären. Dennoch wird oft auf der Grundlage solcher Entscheidungen vieles in den wenigen Fachbüchern über Softwarerecht geschrieben, was dann von Juristen – unreflektiert – als aktueller Stand diskutiert wird (siehe Redeker, Softwareerstellungsverträge, 2.A.).Ich kenne keinen Fall – und ich war in den letzten Jahren häufiger mit entsprechenden Mandaten betreut – in denen ernsthaft ein Gericht vertreten hätte, ein IT- Unternehmen müsse einem Kunden Ratschläge erteilen, wie ein Kunde sein Unternehmen zu betreiben habe. Das mag meinethalben für Unternehmensberater zutreffen. Für IT-Unternehmen geht das doch ein wenig weit am Ziel vorbei. Das IT-Unternehmen haftet aber ebenso wenig wie ein Unternehmensberater für den betriebswirtschaftlichen Erfolg der Einführung einer bestimmten Software.

Denn generell hängt die Reichweite von Aufklärungspflichten stets und immer davon ab, ob zwischen den Parteien ein „Kompetenzgefälle“ besteht, ob also der Kunde schlicht keine Erfahrung mit IT Projekten hat und dies auch erkennbar durch den ITler ausgenutzt wird. In der Literatur wird zum Beispiel immer wieder darauf abgestellt, daß eine Erstellung von Software ohne Funktionales Anforderungsprofil (auch möglich Workshop Protokoll oder Lastenheft) erhebliche Risiken birgt. Also habe das IT Unternehmen den Kunden hierauf hinzuweisen. Aber sicher richtig ist es, wenn Redeker darauf hinweist, daß das IT-Unternehmen für falsch beantwortete Fragen in vollem Umfang haftet. Wer also auf die Frage, ob die Software alles kann, falsche Antworten erteilt, haftet in vollem Umfang.

Drei Punkte fallen mir ein, die aktuell wirklich eine Rolle für den Bereich der Aufklärung zählen.

1.) Systemumgebung

Die größte Ursachenquelle für technische Fehler besteht in der mangelnden Kompatibilität der gelieferten technischen Systemumgebung des Kunden. Ergo muß der ITler darauf hinweise geben, wie die empfohlene oder erforderliche Systemumgebung auszusehen hat, in der das neue Produkt funktionieren soll. Und immer wieder gilt hier mein Hinweis an die Seite der Auftraggeber: Sparen Sie hier nicht am Geld, sondern lassen Sie den ITler notfalls kostenpflichtig die Systemumgebung untersuchen und feststellen, was der Ist Zustand der Systemumgebung ist und wie sich dieser vermutlich in den nächsten Jahren entwickeln sollte und ob und wie in Abhängigkeit zu diesen Fragen die Kompatibilität zu dem gelieferten Produkt herzustellen ist.

2.) Softwarepflegeverträge und angepasste Software

Das ist der Bereich der Kostenfallen, in die viele Auftraggeber immer wieder geraten. Die meisten Softwarelieferanten in Deutschland setzen ihre Lösungen auf Produkten von anderen Softwareherstellern auf. Wer aber auf der Basis von Microsoft, Oracle oder SAP seine Software erstellt muß damit leben, daß diese Hersteller sich eine Änderung der grundsätzlichen Funktionalitäten und Eigenschaften der „Basis“ Software vertraglich vorbehalten. Erscheint ein neues Major Release der großen Hersteller, das man als Kunde früher oder später einspielen muß, um die Kompatibilität z.B. zu den Betriebssystemen zu erhalten  oder um keine komplett unsichere Software zu verwenden, stellt sich die Frage, wer eigentlich die Kosten für die Herstellung der Kompatibilität der neu erstellten Individualsoftware und der Standardsoftware des Herstellers tragen muß. In den meisten Fällen bürden die Lieferaten diese Kosten dem Kunden auf. Das aber bedeutet, daß nicht nur bei der Einführung der Software sondern auch bei dem laufenden Betrieb immer wieder hohe Kosten auftreten. Im Grunde genommen wird die Software nicht nur einmal eingeführt, sondern mehrfach.

3.) Cloud

Die Aufklärungspflichten bestehen hier meines erachtens nicht in den Fragen des Kunden „Sind meine Daten in der Cloud sicher“ oder „Was geschieht im Falle des Ausfalls des Anbieters“. Diese Fragen stellt nach meiner Erfahrung ohnehin jeder Kunde. Aber was jeder Kunde fragen sollte: Welche Leistung, die am Rechenzentrum mit 99,1 % Verfügbarkeit angepriesen wird, kommt eigentlich bei mir im Büro an und ist angesichts dieses Ergebnisses wirklich die Cloudbasierte Lösung das Beste für mich. Hier schweigen viele ITler und legen den Kunden gerne Werbeprospekte vor, deren Messwerte immer direkt im Rechenzentrum erzielt werden, nicht aber im Büro des Kunden. Also sollte man hier vor der Begeisterung über die Cloud Messungen durchführen lassen. Und besondere Kenntnisse über die erforderliche TK Infrastruktur haben nach meiner Erfahrung viele Kunden auch im Jahre 2014 nicht. Hier gelten Aufklärungspflichten des Lieferanten.

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