Designrecht: Designschutz und Ersatzteilmärkte

Eingetragene Designs bzw. Gemeinschaftsgeschmacksmuster stellen ein – vielfach noch immer unterschätztes – vollwertiges gewerbliches Schutzrecht dar. Die Inhaber haben umfangreiche Abwehransprüche gegen gestalterische Nachahmungen. Dem Designschutz zugänglich sind dabei auch Alltagsgegenstände – keineswegs muss es sich um preisverdächtige „Designer-Stücke“ handeln. Eine wichtige Ausnahme allerdings gilt für den Ersatzteilmarkt, wenn auch nur gegenüber europäischen Gemeinschaftsgeschmacksmustern. Wie weit diese reicht, hatte das OLG Stuttgart zu entscheiden (OLG Stuttgart, Urteil vom 11.09.2014 – 2 U 46/14).

Der Ersatzteilmarkt ist insbesondere im Automobilsektor ein Milliardenmarkt. Entsprechend sind die Fahrzeughersteller darauf bedacht, möglichst umfangreichen Designschutz für die einzelnen sichtbaren Teile eines Autos zu erlangen. Diese Rechte werden dann regelmäßig auch sorgfältig überwacht und gegenüber Nachahmern durchgesetzt.

So auch in dem Fall, der dem OLG Stuttgart zur Entscheidung vorlag: Geklagt hatte ein Automobilhersteller, der ein eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster für bestimmte Leichtmetallfelgen besaß. Beklagte war eine Herstellerin von Felgen, die optisch mit den geschützten Designs nahezu identisch waren. Diese wurden ausdrücklich als Not-OEM-Produkte vertrieben, und zwar sowohl einzeln als auch im 4er-Set. Dennoch berief sich die Beklagte darauf, sie stelle lediglich Ersatzteile her.

Der Grund: Das Gemeinschaftsgeschmacksmusterrecht sieht in Art. 110 GGV eine Ausnahme vom Designschutz für Ersatzteile vor. Diese sog. Reparaturklausel soll auf europäischer Ebene eine Monopolisierung der Ersatzteilmärkte verhindern und hier Wettbewerb schaffen. Voraussetzung ist allerdings, dass das Teil tatsächlich lediglich zu dem Zweck hergestellt und vertrieben wird, ein designrechtlich geschütztes Teil eines komplexen Erzeugnisses (also z.B. eines Autos) zu ersetzen und diesem wieder sein ursprüngliches Erscheinungsbild zu verleihen.

Diese Voraussetzung sahen die Stuttgarter Richter im Felgen-Fall nicht als erfüllt an. Hiergegen spreche schon die Tatsache, dass die Felgen nachweislich auch im 4er-Set angeboten worden seien. Es ist wohl tatsächlich fernliegend, dass alle Felgen gleichzeitig beschädigt sind und ersetzt werden müssen. Unabhängig davon ist das Gericht aber auch der Auffassung, dass Art. 110 GGV als Ausnahmevorschrift insgesamt eng ausgelegt werden müsse. Danach seien Felgen von vornherein nicht als einfache Austauschteile anzusehen. Denn Felgen seien zwar notwendige Bestandteile eines Fahrzeugs, würden aber praktisch als eigenständige Produkte wahrgenommen. Es gebe einen eigenständigen Tuning-Markt für Felgen, der sich als „Veredelungsindustrie“ vom eigentlichen Fahrzeuggeschäft abgekoppelt habe.

Diese Argumentation ist durchaus nachvollziehbar und erweitert die Rechte der Designinhaber spürbar. Das OLG Stuttgart hat in dieser Sache noch die Revision zum BGH zugelassen.

Wichtig zu wissen ist noch, dass das deutsche Designrecht eine Reparaturklausel wie den Art. 110 GGV nicht kennt. Der Designschutz nach deutschem Recht ist insoweit weiter als der europäische nach der Gemeinschaftsgeschmacksmuster-Verordnung. Insbesondere für Unternehmen, die auf dem deutschen Markt tätig sind, dürfte es sich daher anbieten, neben dem europaweit geltenden Schutz auch den deutschen Designschutz in Anspruch zu nehmen. Das verschafft im Inland mit Blick auf Ersatzteile noch weitergehende Abwehrrechte.

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