IT-Recht: Sukzessivlieferungvertrag in Abgrenzung zum Dauerschuldverhältnis

Entscheidung des OLG Düsseldorf, 25.07.2014

Die Zeitschrift Computer und Recht ist eine höchst ehrbare Zeitung, die auf dem Gebiet des IT-Rechts seit langen Jahren interessante Artikel anbietet und über die Rechtsprechung informiert. Leider sind die veröffentlichten Entscheidungen teilweise schon recht alt. So auch diese Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorfs, die zu zwei verschiedenen Themen interessante Aussagen beinhaltet.

1.) Wann liegt ein Vertrag vor, bei dem der Kunde verpflichtet ist, eine Gesamtmenge abzunehmen und wann liegt ein Vertrag vor, bei dem der Kunde einen Rahmenvertrag abschließt, auf dessen Grundlage er immer wieder neue Aufträge platzieren kann?

2.) Wann liegt bei der Lieferung und Anpassung von Software ein Werk- und wann ein Kaufvertrag vor?

Fallgestaltungen: Das IT-Unternehmen lieferte dem Kunden Platinen und Leiterkarten. Die dazugehörige Software wurde geliefert und angepasst. Die beiden Parteien haben einen Vertrag abgeschlossen, den sie als „Rahmenvertrag“ bezeichnet haben.

1.) Einheitlicher Vertrag/Rahmenvertrag

Ohne auf die Besonderheiten des Falles des OLG Düsseldorf eingehen zu wollen, sei hier klar gesagt: Ein echter Sukzessivlieferungsvertrag, der eine Verpflichtung des Kunden begründet, eine bestimmte Stückzahl an Lizenzen oder eine bestimmte Stückzahl von Hardware abzunehmen, liegt nur dann vor, wenn die sogenannten essentialia negoti (also die für den Vertrag wesentlichen Punkte) von den Parteien hinreichend bestimmt sind. Das ist dann der Fall, wenn die Stückzahlen und der Preis klar vereinbart sind. Von einem Rahmenvertrag spricht man, wenn die wesentlichen Vertragsbestandteile nicht hinreichend bestimmt sind, sodass der Lieferant nicht weiß, wann er welche Waren liefern muss und der Kunde nicht weiß, wann welche Waren angeliefert werden und wie hoch der Kaufpreis ist, den er letztlich verbindlich bezahlen muss. Das Besondere an den Sukzessivlieferungsverträgen besteht darin, dass sie eine einheitliche Verpflichtung begründen. Der Kunde kann also nicht etwa nur von Teilen des Vertrags zurücktreten, sondern nur vom Vertrag insgesamt. Liegt kein Mangel bei der Vertragserfüllung vor, so muss er die in dem Vertrag angegebene Gesamtmenge auch dann abnehmen, wenn er an bestimmten Teilmargen kein Interesse hat.

2.) Abgrenzung von Kauf- und Werkvertrag

Hier muss man als Nichtjurist wissen, dass die Juristen sich über diese Abgrenzung seit der völlig missglückten Neufassung des § 651 BGB streiten. Es gibt eine BGH-Entscheidung vom 23.07.2009, nach deren Inhalt auch die Entwicklung von beweglichen Sachen nur nach dem Kaufrecht zu beurteilen ist. Folge ist, dass der Kunde kein Recht mehr auf die Durchführung einer Abnahme hat und Kaufverträge auch nach time & material bezahlt werden können. Die Regelung des § 651 BGB ist nach einhelliger Ansicht verunglückt. In den letzten Jahren habe ich immer wieder erlebt, dass sich die Landgerichte der einzelnen Bundesländer nicht mit der Thematik auseinandersetzen, sondern praktisch immer dann, wenn es um Customizing bzw. Parametrisierung geht, auf Werkvertragsrecht erkennen, weil sie die gesetzgeberische Regelung für verfehlt halten. Das OLG Düsseldorf hat sich jetzt die Sache nicht ganz so einfach gemacht, sondern hat unter Anwendung der Regelungen des BGH vom 23.07.2009 erkannt, dass dann, wenn der Vertrag nicht etwa nur auf die Erstellung einer beweglichen Sache gerichtet sei, sondern „im Wesentlichen in einem über diese Sache hinausgehenden Erfolg (zum Beispiel der Einfassung in ein Gesamtwerk oder der Herstellung der Funktionstauglichkeit oder die planerische Lösung eines konstruktiven Problems)“, so sei Werkvertragsrecht anzuwenden. Trocken gesagt, stehe davon nichts in der BGH-Entscheidung, die völlig zu Recht starke Kritik nach sich gezogen hat. Das OLG Düsseldorf hat der Entscheidung des BGH einige Aspekte hinzugefügt und ist so zu einem vermutlich sachgerechten Urteil gekommen, um die gesetzgeberische Fehlleistung zu korrigieren.

Es ist zu erwarten, dass andere Instanzgerichte diesen argumentativen Weg des OLG Düsseldorf ebenfalls beschreiten werden. Für die IT-Branche ist das eine gute Nachricht, denn die Erstellung oder Anpassung von Software oder Hardware ist mit den Regelungen des Kaufrechts einfach nicht sachgerecht zu regeln.

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