IT-Recht Cloud – Entscheidung des LG Essen 16.12.2016 – 16 O 174/16 – Werkvertragsrecht für die Kombination SaaS und Managed Services

Mein lieber Kollege Herr Tribess hat die Entscheidung einer kritischen Würdigung unterzogen.

Sachverhalt:

Das IT- Unternehmen vermietet ein IT- System und erbringt zusätzlich Managed Services. Der Vertrag des IT-Unternehmens sieht eine Mindestlaufzeit vor und in den AGB wird das Kündigungsrecht für die zeitliche Periode dieser Mindestlaufzeit ausgeschlossen, die außerordentliche Kündigung wird natürlich erlaubt.  Der Kunde will früher kündigen. Das LG Essen gibt ihm Recht. Der Vertrag sei insgesamt als Werkvertrag zu qualifizieren. Im Werkvertragsrecht regelt der § 649 BGB, dass der Auftraggeber jederzeit kündigen kann, auch wenn kein Anlass besteht. Der Hintergrund: Im Werkvertragsrecht besteht kein Anspruch des Auftragnehmers auf Vertragserfüllung. Der Auftraggeber kann jederzeit kündigen, muss aber alle dem Auftragnehmer bis dahin entstandenen Kosten  erstatten. Soweit der Hintergrund.

Die normale Einteilung für diese Verträge wäre:  SaaS ist als Mietvertrag zu qualifizieren, denn dies liegt auf einer Linie mit der Entscheidung des BGH zum ASP (wo der Unterschied zwischen ASP und SaaS bestehen soll, weiß ich nicht); Die Managed Services- Leistungen wären als Dienstleistungen oder Werkleistung   zu qualifizieren. Nun gibt es unglückseeligerweise die Entscheidung „Internetsystemvertrag“ des BGH in gleich drei Entscheidungen. Die Verträge wurden vom BGH einheitlich als Werkverträge qualifiziert. Das kann man kritisieren, aber am Ende hat der BGH immer Recht (über dem BGH steht der Blaue Himmel).  Die Bewertung, die der Entscheidung zugrundeliegt, ist diese, dass die Leistungen, die das IT- Unternehmen erbringt, einheitlich der Aufrechterhaltung eines Zieles dienten – nämlich dem, dass die Funktionsfähigkeit des  technischen Systems aufrecht erhalten wird und bleibt. Dahinter verschwinden die mietrechtlichen und werkvertraglichen Elemente. Die Entscheidung des LG Essen ist aber nur eine Ausprägung einer BGH- Judikatur, die seit mehr als sechs Jahren besteht.

Konsequenzen und Probleme

Wenn man die Leistungen bei einem Rechenzentrum einkauft, kann man den entsprechenden Vertrag mit dem Rechenzentrum nicht kündigen, weil das Rechenzentrum in der Regel die Managed Services nicht selbst übernimmt. Hätte man mit dem Kunden nur einen Vertrag über SaaS abgeschlossen, wäre die Regelung über die Mindestlaufzeit nicht zu beanstanden gewesen (das zeigt, dass die BGH Entscheidung falsch sein muss). Die Qualifikation von Werkverträgen als Dauerschuldverhältnis (es wird nicht etwas fertig gebaut, sondern über fünf Jahre hinweg gewartet) muss zu Schieflagen führen, weil diese Konstruktion im Gesetz nicht vorgesehen ist.

Das IT-Unternehmen kann sich nicht darauf verlassen, dass der Kunde vereinbarte Mindestlaufzeiten erfüllt. Das bedeutet nicht, dass man auf Kosten sitzen bleibt. Man muss aber dokumentieren, welche Kostenrisiken in Erwartung der Durchführung des Vertrags eingangen werden. Und da gibt es Unsicherheit. Von der Einstellung des Personals bis zum Abschluss von Deckungsverträgen mit Softwarelieferanten und dem Abschluss von Rechenzentrumsverträgen muss (!) dargelegt werden, dass diese Kosten nur für den Kunden entstanden sind. Und da liegt das Risiko, denn der Kunde wird immer einwenden: Diese Kosten entstehen nicht nur für mich, sondern auch für viele andere. Also bleibt das IT- Unternehmen – anders als beim Bau eines Hauses für einen Kunden – immer auf Kosten sitzen. Nebst dessen das Handling der einzelnen Lieferantenverträge und die Dokumentation der Kosten auch Geld kostet. Viele IT- Unternehmen können (Microsoft Azure) oder wollen die Geschäftsbeziehung mit ihren Lieferanten nicht wegen der Kündigung eines Kunden belasten. Also bleiben sie auf Kosten sitzen. Der Kunde kauft zu Preisen ein, die auf die Mindestlaufzeit kalkuliert sind. Kündigt er vorher, erhält er Rabatte, die ihm nicht zustehen.

Was man praktisch jetzt machen kann:

Erstens kann man darauf vertrauen, dass die Kunden die Entscheidung des BGH un des LG Essen nicht kennen. Oder man gibt zweitens dem Kunden vorzeitige Kündigungsmöglichkeiten und knüpft den Exit an bestimmte Kostenpauschalen. Denn: Und das ist mein praktischer Tipp: Man kann ja mit den Lieferaten verhandeln, was ein vorzeitiger Exit kosten würde und dem Kunden eine entsprechende Staffelung mitgeben.

 

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