Mitwirkungspflichten II – Aufklärungspflichten, Vertragsstrafen

Mitwirkungspflichten und Aufklärungspflichten

Ich habe schon in einem anderen Blog dargestellt, daß das IT Unternehmen die Pflicht treffen kann, den Kunden über den Umfang und die Art der erforderlichen Mitwirkungspflichten aufzuklären. Das beste Beispiel hier ist die Mitwirkung des Kunden im Rahmen der Planungsphase. Der Kunde hat häufig in Form seiner Sachbearbeiter darzulegen, wie genau die Prozesse auszusehen haben, die die Software nachvollziehen soll. Hierzu sollen die Sachbearbeiter häufig selbst Wünsche in Form von Test / Usercases beibringen. Das Problem solcher Arbeiten besteht in ihrem Umfang und darin, daß die Sachbearbeiter diese Leistungen neben dem jeweiligen Tagesgeschäft vollziehen sollen. Der Umfang solcher Leistungspflichten wird häufig mit dem minimal 3fachen und dem maximal 6fachen der Arbeitsleistungen eingeschätzt, die die Mitarbeiter des IT Unternehmens hierfür erbringen müssen. Da dieser Punkt  ein echter Preistreiber ist, wird er häufig von den IT Unternehmen im Rahmen der Vertragsverhandlungen nicht deutlich benannt. Die Gerichte gehen im stärker dazu über, den IT Unternehmen die Verantwortung für das Scheitern eines Projekts aufzuerlegen, wenn der Kunde an der Planung nicht mitgearbeitet hat und letztlich ein Streit darüber, ob die Software abnahmefähig ist oder nicht zum Scheitern des Projekts führt. Wer dem Kunden nicht klar sagt, welchen Umfang die Mitwirkungspflichten aufweisen, kann sich später nur in einem gewissen Rahmen auf die Nichterfüllung berufen.

Mitwirkungspflichten und Vertragsstrafe

Das Vorurteil lautet: Kunden erfüllen Ihre Mitwirkungspflichten nicht. Da Kunden meistens Vertragsstrafen im Vertrag geregelt haben möchten, um die Termintreue des IT Unternehmens sicherzustellen, bietet es sich an, aus dem Instrument der Vertragsstrafe ein beidseitiges zu machen.

Bewährt hat sich, dem Kunden Vertragsstrafen nach folgendem Muster aufzuerlegen: Die Höhe der Vertragsstrafe entspricht einem Tagessatz eines Mitarbeiters des IT Unternehmens. Diese Vertragsstrafe kann erst geltend gemacht werden, nachdem das Unternehmen einmal mit einer Frist von 3 Tagen und dann noch einmal mit einer weiteren Frist von 1 Tag aufgefordert wurde, die Mitwirkungspflicht zu erfüllen. Die Geltendmachung der Vertragsstrafe – und das ist der Hebel – bewirkt, daß die Rechnung von oberen Stellen freigegeben werden muß. Die nicht rechtzeitige Erfüllung der Mitwirkung wird so innerhalb des Unternehmens des Kunden eskaliert. Sie tut nicht wirklich weh, aber bewirkt ein Ärgernis. Und dieser Mechanismus wirkt.

Gesetzliche Rechtsbehelfe bei Nichtbewirken der Mitwirkungspflicht

Das mache ich kurz: Ich könnte hier manches zu den §§ 642,643 BGB schreiben und dazu, daß das IT Unternehmen mit Recht den Ersatz der Fixkosten verlangen könnte, die durch die nicht rechtzeitige Bewirkung der Mitwirkung entstehen. Natürlich könnte ich von Kündigungsmöglichkeiten sprechen. Nur: Die Erfahrung zeigt, daß IT Unternehmen von diesen Rechtsbehelfen keinen Gebrauch machen. Man möchte den Kunden, mit dem man noch lange zu tun haben möchte, nicht vergraulen.  Und deshalb rate ich immer dazu, Vertragsstrafen zu vereinbaren. Das System scheint für IT Unternehmen bekömmlicher zu sein.

 

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