IT-Recht: Der „Agile Festpreis“ Anmerkungen Teil I

Der „Agile Festpreis“ Teil I

In den letzten zwei Jahren kam für Projektverträge eine Idee auf, die unter dem Schlagwort „Agiler Festpreis“ diskutiert wird. Ich habe im Laufe des Jahres mit einer Reihe von Vertragsentwürfen zu diesem Thema zu tun gehabt. Überzeugt hat mich keiner. Alle Vertragsentwürfe, die von den Kanzleien der Auftraggeber kamen, wollten die Verträge auf der Basis des Werksvertragsrechts vollziehen. Ich habe schon häufiger auf dieser Seite angegeben, dass agile Softwareprogrammierung und das deutsche Werkvertragsrecht nur sehr schwer miteinander zu vereinbaren sind. Dieser Blog soll zeigen, warum das so ist und auf welche Dinge beide Parteien achten sollten.

  1. Grundsätze

Der Grundsatz des deutschen Werkvertragsrechts passt nicht zum Projektgeschäft.

Ich gebe jetzt seit etwa 20 Jahren Seminare zu dem Thema, pro Jahr besuchen an die 200 Teilnehmer die Seminare allein nur für den Teil Projektgeschäft. Bestimmte Fragen stelle ich immer:

Eine der Fragen lautet, wie viele Teilnehmer schon einmal ein Projekt durchlebt hätten, in der es keine Änderung der Planung gegeben habe, sich die fachlichen Anforderungen des Kunden also nicht vom Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrags bis zum Zeitpunkt der Abnahme geändert hätten. Ab und zu meldet sich ein Teilnehmer und sagt „Ja, ein solches Projekt habe er schon einmal gehabt“. Aber die überwiegende Mehrzahl kennt nur Projekte, in denen sich die fachliche Planung geändert hat. Und genau diese Änderung kennt das BGB eigentlich nicht. Das BGB geht im Werkvertragsrecht davon aus, dass die fachliche Anforderung beendet ist (der Architekt erstellt die Planung) und die Planung verändert sich während der Erstellungsphase nicht wesentlich (das Haus wird im Wesentlichen so gebaut, wie es geplant wurde).

Zum ersten mal seit 2 Jahren gibt es im Werkvertragsrecht (§§650b ff. BGB) überhaupt Ausführungen zu dem Thema Änderung der Planungsphase nach dem Vertragsabschluss und man muss neugierig sein, wie der BGH diese Punkte umsetzt, denn bislang gab es für den Juristen nur zwei Modelle: Werkvertrag (Planung abgeschlossen, es wird gegen die vom Kunden angegebenen Vorgaben realisiert) oder der Dienstvertrag (Planung muss nicht abgeschlossen sein, geleistet wird Arbeit, weil die Planung nicht abgeschlossen ist, kann ein Erfolg auch nicht geschuldet sein).

  1. Das Gesetz

Nach dem BGB müssen Leistung (Arbeit/ Erfolg) und Gegenleistung (Honorar) in einem angemessenen Verhältnis stehen. Während das BGB im § 650b sagt:

Begehrt der Besteller

  1. eine Änderung des vereinbarten Werkerfolgs (§ 631 Absatz 2) oder
  2. eine Änderung, die zur Erreichung des vereinbarten Werkerfolgs notwendig ist,

streben die Vertragsparteien Einvernehmen über die Änderung und die infolge der Änderung zu leistende Mehr- oder Mindervergütung an. Der Unternehmer ist verpflichtet, ein Angebot über die Mehr- oder Mindervergütung zu erstellen, im Falle einer Änderung nach Satz 1 Nummer 1 jedoch nur, wenn ihm die Ausführung der Änderung zumutbar ist. Macht der Unternehmer betriebsinterne Vorgänge für die Unzumutbarkeit einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 geltend, trifft ihn die Beweislast hierfür. Trägt der Besteller die Verantwortung für die Planung des Bauwerks oder der Außenanlage, ist der Unternehmer nur dann zur Erstellung eines Angebots über die Mehr- oder Mindervergütung verpflichtet, wenn der Besteller die für die Änderung erforderliche Planung vorgenommen und dem Unternehmer zur Verfügung gestellt hat. Begehrt der Besteller eine Änderung, für die dem Unternehmer nach § 650c Absatz 1 Satz 2 kein Anspruch auf Vergütung für vermehrten Aufwand zusteht, streben die Parteien nur Einvernehmen über die Änderung an; Satz 2 findet in diesem Fall keine Anwendung.

Die Hervorhebungen kommen von mir.

Das Gesetz sagt in der Sprache des IT- Unternehmens: Wenn der Kunde einen Change begehrt, dann soll das IT- Unternehmen (a) prüfen, ob eine Änderung zumutbar ist und (b) sollen die Parteien eine Anpassung der Vergütung vornehmen. Wie dieser Grundgedanke mit der Idee des „agilen Festpreises“ zusammenpassen soll, ist unklar. Ich schreibe das nicht deshalb, weil ich glaube, dass sämtliche Verträge über den „agilen Festpreis“ unwirksam sind, sondern um zu zeigen, dass der Gesetzgeber eine bestimmte Wertung im Gesetz vorgenommen hat. Eine Änderung der fachlichen Leistung hat eine Änderung der Vergütung zur Folge. Das ist der Grundsatz.

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