Markenrecht: Keine Erschöpfung, wenn ein ursprünglich kombiniert verpacktes Produkt einzeln in den Verkehr gebracht wird

Was ist Erschöpfung im markenrechtlichen Sinne?

Der Erschöpfungsgrundsatz ist für Markeninhaber eine unbeliebte Regelung, für Markennutzer hingegen eine hilfreiche.

Erschöpfung tritt ein, wenn die Markenware von dem Markeninhaber selbst oder mit seiner Zustimmung in Deutschland (für deutsche Marken) bzw. im Europäischen Wirtschaftsraum (für Unionsmarken) in den Verkehr gebracht worden sind.

Ausnahmsweise liegt keine Erschöpfung vor, wenn berechtigte Gründe es rechtfertigen, dass der Inhaber sich dem weiteren Vertrieb der Waren widersetzt, insbesondere wenn der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert ist.

Das OLG Hamburg hatte einen Fall zu entscheiden, indem zwei Produkte von dem Markeninhaber bzw. vom Lizenznehmer grundsätzlich zusammen verpackt auf den Markt gebracht werden. Ein Händler hat die Produkte auf ebay einzeln angeboten. Der Markeninhaber sah hierin eine Verletzung seiner Markenrechte.

Das LG Hamburg hat die Klage abgewiesen. Das OLG Hamburg sah das anders.

OLG Hamburg hatte folgenden Fall zu entscheiden

Das OLG Hamburg hat mit Urteil vom 20.09.2019 (Az. 3 U 222/16) entschieden, dass keine Erschöpfung der Markenrechte eintritt, wenn der Markeninhaber zwei einheitlich verpackte Waren in ihrer Kombination in den Verkehr (hier ein CI-Modul mit Smartcard zum Empfang verschlüsselter Fernsehprogramme) bringt und ein Händler diese Produkte einzeln weiterverkauft. Hier komme der Ausnahmetatbestand des Art 15 Abs. 2 UMV zur Anwendung.

Zum Sachverhalt:

Die Klägerin (zu 2) vertreibt zum einen Smartcards ausschließlich kombiniert mit einem CI-Modul als so genannte Bundle an Endverbraucher. Diese Produkte sind in Blister eingeschweißt und enthalten die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kl. Zum anderen vertreibt sie isolierte Smartcards allein an Receiver-Hersteller. Diese werden vertraglich gebunden, die Smartcards nicht als solche an Dritte weiterzugeben, sondern die ihnen überlassenen Smartcards erst dann zu vertreiben, wenn sie in einen Receiver integriert, dieser gemäß den Vorgaben aus den Verträgen originalverpackt und die allgemeinen Geschäftsbedingungen der D GmbH beigefügt worden sind.

Die Kläger wenden sich dagegen, dass der Beklagte HD+ Smartcards und CI-Module getrennt auf der Verkaufsplattform ebay zum Verkauf angeboten hat.

Die Entscheidung des OLG Hamburg

Der Inhaber des Markenrechts kann sich nach Art. 13 GMV aF (Art. 15 UMV nF) dem weiteren Vertrieb der Waren widersetzen, wenn berechtigte Gründe dies rechtfertigen, insbesondere wenn der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert ist. Ein solcher berechtigter Grund liegt vor, wenn durch die konkrete Verwendung die Herkunfts- und Garantiefunktion seines Zeichens verletzt oder die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke in unlauterer Weise ausgenutzt oder beeinträchtigt wird.

Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine solche Beeinträchtigung anzunehmen, wenn die Veränderung die Eigenart der Ware berührt (vgl. BGH GRUR 2007, 882 Rn.  22 – Parfümtester). Auch muss es ein Markeninhaber nicht hinnehmen, dass seine Marke für den weiteren Vertrieb der von ihm oder mit seiner Zustimmung in Verkehr gebrachten Produkte verwendet wird, wenn dieser Vertrieb die ernstliche Gefahr begründet, dass der Erwerber des Produkts das Urheberrecht an diesem Produkt verletzt. Dagegen ist ein berechtigtes Interesse des Markeninhabers nicht schon deshalb gegeben, weil die vom Wiederverkäufer betriebene (übliche) Form der Werbung von derjenigen des Markeninhabers oder seiner Vertriebspartner abweicht, sondern erst dann, wenn die konkrete Art und Weise der Benutzung der Marke in der Werbung rufschädigend ist.

(…) Die Kl. haben geltend gemacht, der Vertrieb ausschließlich in verschlossener Originalverpackung diene gleichsam als Warensiegel und garantiere Originalität, Neuheit und Unversehrtheit der Ware. Die beigefügten AGB seien auch essentiell, denn über die Smartcard solle eine Vertragsbeziehung zwischen dem Nutzer und der Kl. zu 2 begründet werden. Sie haben ferner geltend gemacht, dass sich der Interessent an HD-Qualität beim Fernsehen einen gewissen Luxus leiste und deshalb auch eine entsprechend hochwertige Verpackung erwarte. (…)

Als Hersteller und Markeninhaber unterliegt es allein ihrer Entscheidung, in welcher Weise sie ihr Produkt dem Endverbraucher als „neu“ präsentieren und wie sie gegenüber diesem ihre Markenrechte zum Ausdruck bringen wollen. Dem Markeninhaber steht es auch frei zu bestimmen, wie und in welcher Weise und auch in welcher Kombination er seine Ware in den Verkehr gebracht sehen will. Die Kl. haben für die streitgegenständlichen Module und Smartcards bestimmt, dass sie nur gemeinsam und mit den beigefügten AGB in den Verkehr zu bringen sind. Diese Verbindung zweier Waren mit weiteren Begleitmaterialien bestimmt auch die Eigenart der Ware(n), nämlich als zusammengehöriges Bundle in einer einheitlichen Verpackung.

Fazit:

Der Erschöpfungsgrundsatz gilt nicht uneingeschränkt. Insofern ist die Entscheidung des OLG Hamburg zu begrüßen. Denn es bleibt Sache des Markeninhabers, wie seine Produkte auf den Markt gebracht werden. Werden diese Produkte dann umgestaltet und als „neu“ auf dem Markt angeboten, macht dies den Eindruck, als handele es sich um ein Angebot des Markeninhabers oder seiner Lizenznehmer. Der Markeninhaber muss aber Einfluss darauf haben können, dass die Produkte nicht verändert werden dürfen, bevor sie „neu“ verkauft werden.

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