Gewährleistung und Produkthaftung im Vereinigten Königreich

Was jetzt nach dem BREXIT gilt

Das britische Gewährleistungsrecht unterscheidet sich vom deutschen Recht. Gerade das britische Gewährleistungsrecht ist in der Praxis im „Digitalen Business“ auch für deutsche Unternehmen relevant.

Wie sind Gewährleistung und Produkthaftung im Vereinigten Königreich geregelt?

Es gibt wichtige Unterschiede hinsichtlich der Gewährleistungsansprüche von Verbrauchern und den dazugehörigen Verjährungsfristen. Das Vereinigte Königreich weicht mit dem Consumer Rights Act 2015 von den in der Richtlinie 2019/771 gesetzten Standards der Europäischen Union ab. Gewährleistungsfragen bei Verkauf von digitalen Inhalten sind im Abschnitt 3 „Digital Content“ behandelt. Eine derartig eigenständige Regelung gibt es nach deutschem Recht nicht. Vielmehr hat der deutsche Gesetzgeber immer wieder Anpassungen in den bestehenden Gesetzen vorgenommen. Zuletzt mit der Schuldrechtsreform 2022.

Fragen der Produkthaftung sind in der Richtlinie 1985/374/EWG mit den Änderungen durch 1999/34/EG geregelt. Großbritannien hat diese Richtlinie in nationales Recht durch den Consumer Protection Act umgesetzt. Hier ist Großbritannien bisher nicht von den Standards dieser Richtlinie abgewichen. Daneben gelten die allgemeinen Grundsätze des britischen Common Law zur Fahrlässigkeit (engl. negligence).

Was sind die wichtigsten unterschiedlichen Regelungen des Consumer Rights Act im Vergleich zu deutschen Regelungen des Gewährleistungsrechts?

  1. Kurzfristiger Rücktritt vom Vertrag (Section 20, 22 Consumer Rights Act)
  2. Verjährung von Gewährleistungsansprüchen des Verbrauchers
  3. Eigene Regeln zur Gewährleistungshaftung des Händlers beim Verkauf
    von digitalen Inhalten
  4. Mängelfolgeschäden bei Bereitstellung defekter digitaler Inhalte

Der kurzfristige Rücktritt (1) gemäß Section 20, 22 Consumer Rights Act kann der Verbraucher innerhalb von 30 Tagen nach Empfang der Ware die Ware zurückweisen und so vom Vertrag kurzfristig zurücktreten (engl. „short-term right to reject“). In diesem Fall muss der Händler dem Verbraucher den Kaufpreis erstatten.

Der Verbraucher muss die Ware für die Rücknahme durch den Händler bereitstellen oder an den Händler zurücksenden, wenn dies vertraglich vereinbart ist.

Empfehlung: Die kostenpflichtige Rücksendung der Ware durch den Verbraucher beim kurzfristigen Rücktritt vom Vertrag sollte in den AGB festgeschrieben werden.

Welche Verjährungsfristen gelten für Gewährleistungsansprüche?

Gewährleistungsansprüche verjähren gemäß dem Limitation Act in England und Wales in 6 Jahren und in Schottland in 5 Jahren nach dem Zeitpunkt der Vertragsverletzung (breach of contract). Da der Verkäufer eine mangelfreie Ware zu liefern hat, ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Vertragsverletzung und damit für den Beginn der Verjährungsfrist die Auslieferung der Ware an den Verbraucher. Da das britische Recht bei Gewährleistungsansprüchen nicht zwischen Neuware und gebrauchter Ware unterscheidet, gilt diese lange Verjährungsfrist für Neuware und gebrauchte Ware gleichermaßen.

Exkurs: Das britische Recht kennt auch spezielle Verjährungsregeln für versteckte Mängel gemäß dem Latent Damage Act (Beginn der Verjährungsfrist erst mit Entdeckung des Mangels). Hier geht es aber um versteckte Baumängel, die im Zusammenhang mit dem Kaufrecht für Waren keine Bedeutung haben.

Wie ist die Gewährleistungshaftung bei Verkauf von digitalen Inhalten ausgestaltet?

Der britische Gesetzgeber hatte bei der Regelung der Gewährleistungshaftung für digitale Inhalte auch zu berücksichtigen, dass Händler eine Mischung von Waren, Dienstleistungen und digitalen Inhalten bereitstellen.

Definition der Mangelfreiheit

Für die Definition der Mangelfreiheit von digitalen Inhalten werden die Bestimmungen für die Mangelfreiheit von Waren herangezogen (Section 34 CRA). Digitale Inhalte müssen also von befriedigender Qualität sein, für den vorgesehenen Einsatz geeignet sein und dem beschriebenen Zweck entsprechen.

Rechtsbehelfe bei nicht mangelfreier Beschaffenheit der bereitgestellten digitalen Inhalte

Hier gilt wie nach deutschem Recht die Rechtsbehelfe-Hierarchie bei Gewährleistungshaftung: in erster Linie Reparatur oder Ersatzbereitstellung, dann erst Kaufpreisminderung und Rücktritt vom Vertrag

Achtung: Für Mängelansprüche bei mangelhafter Beschaffenheit von digitalen Inhalten stellt der Gesetzgeber anders als bei mangelbehaften Waren nicht die Möglichkeit eines kurzfristigen Kündigungsrechts zur Verfügung

Gibt es bei Verkauf von digitalen Inhalten auch die Möglichkeit Schadensersatz für Mangelfolgeschäden zu verlangen?

Grundsätzlich ja. Der Consumer Rights Act hat explizit im Abschnitt digitale Inhalte (Section 46) auch die Möglichkeit geregelt Mangelfolgeschäden geltend zu machen. Das kann z.B. durch die Bereitstellung schadhafter digitaler Inhalte verursacht worden sein. Allerdings müssen diese Mangelfolgeschaden auch fahrlässig verursacht worden sein.

Wie ist der Verkauf von digitalen Inhalten geregelt?

Im Unterschied zum deutschen Recht regelt der Consumer Rights Act in einem eigenen Abschnitt den Kauf von digitalen Inhalten und die Gewährleistungshaftung des Händlers beim Verkauf solcher Produkte. Das deutsche Recht dagegen ordnet Gewährleistungsfragen beim Verkauf von digitalen Inhalten je nach Vertragstyp dem Kauf-, Werkvertrags- oder Dienstleistungsrecht zu.

Der Begriff „Digitale Inhalte“ wurde erstmals durch die EU-Verbraucherrechterichtlinie 2011/81 eingeführt. Es handelt sich dabei nach der Verbraucherrichtlinie um „nicht auf einem körperlichen Datenträger befindliche Inhalte, die in digitaler Form hergestellt und bereitgestellt“ werden (Artikel 2 Nr. 11 der Verbraucherrechterichtlinie).

Im Rahmen der Verbraucherrechterichtlinie spielt dieser Begriff aber nur für das Widerrufsrecht und für die Informationspflichten des Online-Händlers eine Rolle.

Der Begriff der digitalen Inhalte wird durch den Consumer Rights Act (CRA) weiter gefasst. Nach der Legaldefinition Section 2 (9) des CRA sind digitale Inhalte Daten, die in digitaler Form hergestellt und bereitgestellt werden. Es wurde also auf die Einschränkung „nicht auf einem körperlichen Datenträger befindliche Inhalte“ verzichtet. Unter dem Begriff digitale Inhalte lassen sich daher nach britischem Recht eine große Anzahl von Produkten aufzählen.

  • Computerspiele
  • Fernsehprogramme
  • Filme
  • Bücher
  • Computer Software
  • System-Software

Der Begriff „digitaler Inhalt“ ist vom Begriff „Dienstleistung“ abzugrenzen. So fällt die Bereitstellung eines Telefonvertrages nicht unter den Begriff „digitaler Inhalt“, sondern beinhaltet eine Dienstleistung.

Welche Verjährungsfristen gelten für Gewährleistungsansprüche des Verbrauchers bei Kauf von digitalen Inhalten?

Für Gewährleistungsansprüche bei Kauf von digitalen Inhalten gilt entsprechend Limitation Act die Widerrufsfrist von 6 Jahren nach Vertragsverletzung, also ab dem Zeitpunkt, nachdem die digitalen Inhalte dem Verbraucher zur Verfügung gestellt wurden. Diese Widerrufsfrist gilt auch für die Geltendmachung von Mangelfolgeschäden, wie in Section 46 Ziffer 8 Consumer Rights Act ausdrücklich klargestellt ist.

Welche Regeln gelten für das Produkthaftungsrecht?

Für das Produkthaftungsrecht gelten ähnliche Regeln wie in Deutschland. Ähnlich wie Deutschland hat das Vereinigte Königreich die Richtlinie 1985/374/EWG zur Produkthaftung ohne große Abweichungen durch den oben bereits zitierten Consumer Protection Act (CRA) in britisches Recht umgesetzt.

Demnach haftet der Hersteller eines defekten Produkts dem Verbraucher bei Vorsatz oder Fahrlässigkeit für Personenschäden und Sachschaden, der 275 Pfund übersteigt. Auch Subunternehmer oder auch Händler können bei Vorsatz oder Fahrlässigkeit haftbar gemacht werden, wenn ihr Tun zum Defekt des Produkts beitrug. Schäden müssen innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Schadens geltend gemacht werden oder drei Jahre nach dem Zeitpunkt, in dem der Hersteller von der Geltendmachung des Schadens erfuhr oder vernünftigerweise erfahren konnte. Eine absolute Ausschlussfrist gilt für alle Forderungen, die 10 Jahre, nachdem das Produkt in den Verkehr gebracht wurde, geltend gemacht werden.

Dr. Gerd Grimberger, 31. Juli 2021

Rechtsinformatiker
Commonwealth Lawyer (CLA)

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