Legitime Kundenerwartung im Hinblick auf IT- Produkte Teil 1

Die Neufassung des BGB normiert in den § 434 und §327e BGB, was „Mängel“ sind. Das alte Recht (und das gilt für die Bereiche des Miet- und Werkvertragsrechts außerhalb des Verbraucherrechts noch immer) sagte, dass es vorrangig darauf ankommt, welchen Inhalt der jeweilige Vertrag hat. Welchen Inhalt hat das Angebot? Nur (!) dann, wenn das Angebot wirkliche Lücken hatte, kam es darauf an, ob der Nutzer das Produkt auch dann verwenden kann, wenn bestimmte Eigenschaften oder Funktionen fehlen, oder welche Eigenschaften oder Produkte von gleichartigen Produkten zu erwarten sind.

Das neue Recht geht hier für das Verbraucherrecht im § 327e BGB und für das Verbraucherrecht und den kaufmännischen Verkehr im § 434 BGB einen großen Schritt weiter und zwingt den Hersteller oder Lieferanten dazu, sich intensiv mit der Frage auseinanderzusetzen, welche Erwartungshaltungen der Käufer (§ 434 BGB) oder der Verbraucher vernünftigerweise haben kann. Denn das Gesetz sagt jetzt, dass die Erwartungshaltung (die im Grunde keiner kennt und die auch nicht irgendwo dokumentiert ist) gleichberechtigt neben den dokumentieren Leistungsmerkmalen steht.

  1. Prozess

Die Erwartungshaltung des Kunden

Was das ist oder sein könnte, können in Zukunft eigentlich nur IT-Sachverständige und in zweiter Reihe Juristen beantworten. Denn: Zunächst einmal müssen Produkttyp und Anwendungsbereich miteinander verglichen werden. Dann kommt es darauf an, welche Rolle die Preise und Kosten für die Einordnung bedeuten. Der Regierungsentwurf des deutschen Bundestags hat allen Ernstes (und hier werde ich politisch) angegeben, dass aus dem neuen Gesetz keine Kosten für die Verbraucher erwachsen werden. Im Grunde muss jedes neue Produkt, dass nun in den Markt eingeführt wird, erst einmal referenzieren, welcher technische Mindeststandard für vergleichbare Produkte gilt. Bis dato waren solche Analysen aus Sichtweise des Marketings erforderlich, damit man sich mit den neuen Produkt am Markt behaupten und Geld verdienen kann. Nun sind sie es, weil das Verfehlen des Mindeststandards einen Mangel bedeuten kann, den der unzufriedene Kunde auf dem Weg über drohende oder realisierte Gerichtsverfahren monetarisiert.

Der erste Schritt besteht also darin, zu erfragen, welches die legitime Erwartungshaltung des Kunden ist.

Das Gesetz gibt jetzt eine ganze Reihe von Topoi vor, die wir uns in den Teilen 2 und 3 des Blogs anschauen.

Eingrenzen kann man dieses Risiko im Grunde genommen nur, wenn man sich die Struktur des Gesetzes anschaut und besagt, zu welchen Punkten eine Leistungsabgrenzung bestehen sollte. Das Gesetz bietet über den § 434 III den Ausweg mit dem Satz „soweit nicht wirksam etwas anderes vereinbart ist“.

Damit ist eine Leistungsabgrenzung gemeint, die dem Kunden genau sagt, welche seiner berechtigten Erwartungen durch das Produkt oder die Leistung nicht erfüllt werden. Sofern man denn weiß, welche Erwartungshaltungen der Kunde haben könnte, kann man sich bemühen, eine Liste aufzustellen. Im Grunde besteht die Erwartungshaltung des Gesetzgebers darin, die Kunden über die Leistung so aufzuklären, wie wir es bereits im Bereich der Sicherheitswarnungen kennen: Du sollst den Computer nicht in der Sonne liegen lassen, mit der Videokamera nicht im Regen filmen, etc. Ich gebe offen zu verstehen, dass ich das Gesetz für eine Fehlleistung halte. Man kann nur darauf hoffen, dass die Richter praktikable Wege aufzeigen, wie man mit dieser Fehlleistung umgehen kann, ohne eine neue Kaste des Sachverständigenwesens gedeihen zu lassen.

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