Haftungsausschluß von Folgeschäden in AGB

Kann man die Haftung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den „mittelbaren Schaden“, den Folgeschaden, den entgangenen Gewinn etc. ausschließen? In welchem Umfang haftet man für solche Schäden?

Aus gegebenem Anlass, da ich bei der Prüfung von Verträgen wieder mehrfach Regelungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von IT Unternehmen gelesen habe, die so oder ähnlich formuliert sind:

„Sofern der Schaden infolge einfacher Fahrlässigkeit verursacht wird, wird die Haftung des Lizenzgebers für fehlende wirtschaftliche Erträge/Gewinne, indirekte Schäden und entgangenen Gewinn ausgeschlossen.“

Diese Regelung ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind Regelungen, die nicht im Einzelfall mit dem jeweiligen Vertragspartner verhandelt wurden (deshalb der Terminus „Allgemein“ genannt, werden sie jeweils mit dem Vertragspartner verhandelt, spricht der Jurist von „Individualvereinbarungen“) und die von den gesetzlichen Regelungen abweichen.

Die gesetzlichen Regelungen sehen in Deutschland eine generelle Ersatzpflicht für alle adäquat kausal verursachten Folgen eines schädigenden Ereignisses vor. Dabei ist es unbedeutsam, um was für eine Art von Schaden es sich handelt. Vielmehr stellt das Gesetz auf das Verschulden und vertragliche oder gesetzliche Pflichtverletzungen ab.

Dennoch werden in IT-Verträgen häufig „mittelbare Schäden“, „Folgeschäden“ oder „entgangener Umsatz“ von der Haftung ausgeschlossen. Dabei ist zu beachten, dass es nicht den Definierten mittelbaren Schaden gibt. Worauf sich der Ausschluss bezieht, ist damit durch beispielhafte Anführungen zu verdeutlichen.

Ich gebe einfache Beispiele vor:

1.) A soll für B Individualsoftware erstellen. Die Individualsoftware soll für B ein neues Geschäftsfeld erschließen, von dem sich B hohen Ertrag verspricht. Sicher ist das nicht. Die von A erstellte Software erweist sich als mangelhaft, fällt häufiger aus oder erzielt falsche Ergebnisse.

2.) A vermietet dem B eine public Cloud Software mit dem erforderlichen Datenspeicher. Die Lösung stellt den „Backbone“ der Geschäftsprozesse des B dar. 100 Mitarbeiter sollen mit dem Programm arbeiten. Die Lösung des A soll eine bestehende Softwarelösung onPrem ablösen, die nicht mehr zeitgemäß ist. Die von A vermietete Lösung fällt 3 Tage hintereinander aus.

Zwei Fragen sind zu beantworten: Hat B einen Anspruch auf Ersatz eines Schadens?

  1. Grundsätze des gesetzlichen Schadensersatzrechts
  1. Naturalrestitution

Entsprechend den gesetzlichen Regelungen wird grundsätzlich eine Naturalrestitution geschuldet. Dies bedeutet, dass der Zustand hergestellt werden muss, welcher ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Mit anderen Worten sind grundsätzlich Handlungen vorzunehmen, welche den Schaden beseitigen. Wird beispielsweise ein Grenzzaun durch einen fallenden Baum beschädigt, hat der Eigentümer des Baums dafür Sorge zu tragen, dass der Zaun repariert wird.

  • Geldersatz

Nicht alle Schäden können durch den Verantwortlichen selbst behoben werden oder es ist dem Geschädigten nicht zuzumuten, dass der Schädiger die Möglichkeit der Schadensbeseitigung erhält. In solchen Fällen kann der Schadensersatz durch Zahlung einer Geldsumme beglichen werden. Entsprechende Regelungen finden sich in §§ 250 – 253 BGB.

In unseren Beispielen 1 und 2 kommt eine Naturalrestitution nicht in Betracht, weil der A die Arbeit der Mitarbeiter des B nicht leisten kann. Geleistet werden kann nur Wertersatz in Geld.

  1. Begrifflichkeiten

Auch wenn für den Umstand der Schadensersatzpflicht das Verschulden oder Pflichtverletzungen maßgeblich sind können Schadensarten unterschieden werden. Die Rechtsprechung unterscheidet zum Teil danach, ob ein Schaden am Vertragsgegenstand (unmittelbarer Schaden) oder an anderen Rechtsgütern (mittelbarer Schaden) eingetreten ist.

  1. Unmittelbarer Schaden

Der Schaden, der direkt an dem betroffenen Rechtsgut eintritt wird als „unmittelbarer Schaden“ bezeichnet.

Bsp: Ein Computer, den Sie gekauft und bezahlt haben, gehört Ihnen. Wird der Computer durch das Transportunternehmen beschädigt, ist das ein unmittelbarer Schaden an Ihrem Eigentum.

  • Mittelbarer Schaden

Gehen wir wieder von den Beispielen 1 und 2 aus.

Der eine Fall zeichnet sich dadurch aus, dass der B der Ansicht ist, mit einer neuen Software gute Chancen auf hohe Erträge in einem neuen Geschäftsfeld erwirtschaften zu können. Der zweite Fall ist dadurch geprägt, dass der B bereits weiß, in einem Geschäftsfeld Umsätze erwirtschaften zu können. Er kann für die vergangenen Jahre Zahlen präsentieren.

Von sog. mittelbaren Schäden wird häufig dann gesprochen, wenn der Schaden an einem anderen, als dem verletzten Rechtsgut eintritt. Was somit unter den Begriff des mittelbaren Schadens fällt wird unterschiedlich bewertet.

Die grundsätzliche Frage, die Juristen hier umtreibt, lautet: Was soll alles ersetzt werden, wenn ein schädigendes Ereignis eintritt?

Kann ein Mann auch 2 Jahre nach einem Verkehrsunfall, durch den er Narben im Gesicht erlitten hat, Schmerzensgeld einfordern, weil ihn die begehrte Frau infolge einer Narbe im Gesicht nicht erwählt? Kann in unserem Beispiel 1 ein Kunde eines IT Unternehmens Schadensersatz fordern, weil eine Individualsoftware nicht rechtzeitig geliefert wurde und er dann nicht so schnell wie gewünscht mit der neuen Software Umsätze erwirtschaften kann, obwohl er gar nicht wissen kann, ob das neue Geschäftsmodell Erfolg hat? Kann ein Lottospieler, der nicht rechtzeitig von einem Taxi abgeholt wurde, Schadensersatz von dem Taxifahrer einfordern, weil er seinen 6er Schein nicht rechtzeitig abgeben konnte? Kann in unserem Beispiel 2 der B Schadensersatz wegen des Ausfalls der vermieteten Software fordern, weil der B durch BWAs nachweisen kann, dass er jahrelang erfolgreich in einem Geschäftsfeld gearbeitet hat?

Was ich damit sagen will: Die Antwort auf die Frage, in welchem Umfang ein Schaden zu ersetzen ist – und nur dieses Interesse steckt hinter dem Streit über den „Mittelbaren Schaden“ – ist nicht von der Natur vorgegeben und leicht erkennbar, sondern eine schwierige Frage der Bewertung. Der Jurist muss die Frage stellen, in welchem Umfang der Gesetzgeber den Schädiger zum Ersatz des Schadens heranziehen wollte.

  • Folgeschaden

Die gleichen Erwägungen gelten auch für den Begriff des Folgeschadens.

Von einem Folgeschaden kann gesprochen werden, wenn ein Sachmangel an der Hauptsache vorliegt und dieser Mangel kausal für andere Beschädigungen ist. Aus diesem Grund kann ein Folgeschaden auch ein mittelbarer Schaden sein.

Ein hierfür häufig verwendetes Beispiel sind mangelhafte Bremsen an einem Auto. Kommt es zu einem Unfall aufgrund der mangelhaften Bremsen, bei welchem auch andere Teile des Autos beschädigt werden, sind diese Schäden Folgen des Sachmangels.

Durch den „Dieselabgasskandal“ sind zudem Folgeschäden in der Form bekannt geworden, dass trotz Software-Update es zu weiteren Mängeln kommt. In vielen Fällen wurden Folgeschäden in Form von erhöhten Emissionswerten und Kraftstoffverbrauch, einer verschlechterten Motorleistung sowie einer verstärkten Verschleißerscheinung in Folge des Software-Updates bemängelt und geltend gemacht. So bspw. In dem BGH Beschluss vom 29.09.2021 (Az.: VIII ZR 226/19).

III Lösung der Fälle 1 und 2

1.) Rechtsprechung und gesetzliche Regelung

Die Frage, in welchem Umfang der Schädiger zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, wird in Deutschland durch eine jahrzehntelange und gut ausgebildete Judikatur beantwortet.

Zu ersetzen ist immer derjenige Schadensumfang, der einem typischen Kausalverlauf entspricht. Und wenn eine Software nicht funktioniert und der Kunde deshalb nicht arbeiten kann, ist dies ein Kausalverlauf, der absehbar und normal war.

Im Beispiel 2 ist das leicht nachzuvollziehen:  Sofern ein Ausfall der Software zu einem Umsatzausfall führt, ist dieser zu ersetzen und eine Allgemeine Geschäftsbedingung, die dies verhindern möchte unwirksam. Der B kann ja nachweisen, welche Umsätze er in den vergangenen Jahren erzielt hat.

Im Beispiel 1 ist das nicht einfach: Hier geht es um die Wahrung von Chancen und Erwartungen. Der BGH ist sehr restriktiv, wenn es darum geht, aus der Vereitelung einer Chance einen Schadensersatz abzuleiten. Allein die Behauptung, man würde mit einer rechtzeitig eingeführten und funktionierenden Software auch viel Geld verdienen, reicht nicht. Hierzu muss viel nachgewiesen werden, was in den Prozessen oft sehr schwierig ist.

Im Ergebnis müsste der A im Beispiel 2 also haften, im Beispiel 2 wäre das nicht eindeutig.

2.) AGB rechtliche Beurteilung

a.) Wesentliche Benachteiligung, § 307 II BGB.

Der BGH besagt in ständiger Rechtsprechung, dass in Allgemeinen Geschäftsbedingungen keine Regelung getroffen sein darf, die die Haftung des Verwenders so weit reduziert, dass eine wesentliche Benachteiligung des anderen Teils erfolgt. Der Ausschluß eines Schadensersatzes, den der BGH dem Schädiger zuerkennen würde, wäre eine solche wesentliche Benachteiligung und würde gegen den § 307 II BGB verstoßen. 

 b. Unklarheitenregelung, § 307 I BGB.

Aus dem § 307 I BGB ergibt sich, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen transparent sein müssen. Die Begriffe des unmittelbaren, mittelbaren oder des Folgeschadens werden nicht einheitlich verwendet. Besonders in Verträgen oder AGB kommt es zu Ausschlüssen bei denen nicht klar ist, was damit gemeint ist. Unklare oder mehrdeutige Regelungen sind jedoch in der Regel unwirksam und es gelten die gesetzlichen Bestimmungen.

Die von mir als Beispiel verwendete Regelung würde nicht unwirksam sein, weil klar ist, dass wirtschaftliche Gewinne nicht als ersatzfähiger Schaden angesehen werden sollen.

IV. Fazit

Helfen würde das nichts. Die Regelung wäre gleichwohl unwirksam.

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