Digitale Pflege – Von A wie App bis Z wie Zertifizierung

Die „digitalen Pflegeanwendungen“ sind da..

Die „digitale Pflegeanwendung“, kurz genannt „DiPA“, hat ihren Weg in das Sozialrecht geschafft. „Digitale Anwendungen“ sind schon einige Zeit im Gesundheitswesen und der Pflege nicht mehr wegzudenken. Schon heute gibt es zahlreiche Apps für Smartphone und Tablet ebenso wie browserbasierte Anwendungen für Computer, die Pflegebedürftigen, Angehörigen sowie Pflegeeinrichtungen helfen, den Pflegealltag zu erleichtern. Es fehlte bisher an einer gesetzlichen Regelung, um diese Dienste den Pflegebedürftigen im Rahmen der „Hilfe zur Pflege“ zur Verfügung zu stellen. 

Die Einführung von drei neuen Regelungen im SGB XII (ab 01.01.2022) zu den „digitalen Pflegeanwendungen“ haben den Leistungsanspruch im Rahmen der „Hilfe zur Pflege“ erweitert. Der Leistungskatalog wurde in den §§ 63, 64j und 64k ergänzt.  

Änderung 1: Neuer §63 Absatz 1 Ziffer 1 g (Pflegegrad 2-5) bzw. Absatz 2 Ziffer 3 (Pflegegrad 1) SGB XII sichert den Anspruch auf digitale Apps 

Die Ergänzung in § 63 SGB XII wurde ab 01.01.2022 erstmals geregelt. Sie umfasst für alle leistungsberechtigten Pflegebedürftigen jetzt zusätzlich den Anspruch auf „digitale Pflegeanwendungen“ und eine ergänzende Unterstützung bei der Nutzung von „digitalen Pflegeanwendungen“. Damit wird der Leistungskatalog des SGB XII an den des SGB XI angepasst und versicherte und nicht versicherte pflegebedürftige Personen gleichgestellt. 

Änderung Nr. 2: § 64j SGB XII legt fest, was „digitale Pflegeanwendungen“ sind 

„Digitale Pflegeanwendungen“ sind Technologien, die, zum Beispiel als App, 

  • auf den Endgeräten der Pflegebedürftigen, der Angehörigen sowie denen von Pflegeeinrichtungen genutzt oder 
  • über öffentlich zugängliche digitale Vertriebsplattformen zur Verfügung gestellt werden 
  • um Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten des Pflegebedürftigen zu mindern und einer Verschlimmerung der Pflegedürftigkeit entgegenzuwirken. 

Das DiPA-Verzeichnis enthält momentan noch keine digitalen Pflegeanwendungen. Das Verzeichnis wird aktuell durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aufgebaut.

Änderung Nr. 3: § 64k SGB XII definiert den Anspruch auf ergänzende Unterstützung 

Um die Nutzung „digitaler Pfleganwendungen“ zu erleichtern, erhalten Pflegebedürftige künftig zusätzlich einen Anspruch auf erforderliche „ergänzende Unterstützungsleistungen“. Noch steht nicht fest, welche dies genau sein werden. Dies wird das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte noch festzustellen haben und im „Verzeichnis für digitale Pflegeanwendung“ nach § 78a Abs. 3 SGB XI veröffentlichen. 

Praxisbeispiele für digitale Pflegeanwendungen

Welche „digitalen Pflegeanwendungen“ im Rahmen der „Hilfe zur Pflege“ ab dem kommenden Jahr anzuerkennen sein werden, wird sich also aus dem „Verzeichnis der digitalen Pflegeanwendungen“ nach § 78a Abs. 3 Satz 1 SBG XI ergeben. Voraussetzung für eine Ankerkennung wird sein, dass die App oder browsergestützte Anwendung einen pflegerischen Nutzen hat. 

Denkbar sind technologische Hilfen unter anderem in den folgenden Bereichen: 

  • Körperrelevante Themen:

Apps können durch Übungen oder Trainings Pflegebedürftigen dabei helfen, Leiden zu verringern und ihren Alltag besser zu bewältigen. Hierzu zählen etwa Gedächtnistrainings bei Demenzerkrankungen oder Übungen zur Reduzierung des Sturzrisikos.

  • Kommunikation und Betreuung:

Auch technische Dienste, die die Kommunikation zwischen Pflegebedürftigen, deren Angehörigen und mobilen Pflegediensten verbessern und damit die Betreuung erleichtern, könnten als „digitale Pflegeanwendung“ anerkannt werden.

  • Erinnerungsfunktion zur Medikamenteneinnahme:

Eine App kann Pflegebedürftigen dabei helfen, sich an die zeitgerechte und vollständige Medikamenteneinnahme zu erinnern. Wird diese vergessen, können Angehörige oder der zuständige Pflegedienst informiert werden, um die Medikamenteneinnahme sicherzustellen.

Sachbearbeiter in den Sozialverwaltungen werden künftig über die Gewährung von „digitalen Pflegeanwendungen“ sowie Anträge auf ergänzende Unterstützung zu entscheiden haben. Welche Leistungen konkret zu gewähren sind, wird das noch zu schaffende „Verzeichnis für digitale Pflegeanwendungen“ zeigen.

Beispiel: Sturzprävention

Digitale Anwendungen in der Pflege zielen direkt auf die Nutzung durch Pflegebedürftige ab. Im Fokus sind die Stabilisierung bzw. Verbesserung des Gesundheitszustandes der pflegebedürftigen Person durch Übungen und Trainings. So ist etwa die Sturzprävention ein wesentliches Element, um ältere Menschen in ihrer Autonomie zu stärken. Sie sollen darin unterstützt werden, länger in den eigenen vier Wänden zu verbleiben. 

Die digitalen Pflegeanwendungen sind in der Lage die individuelle Sturzprävention zu unterstützten. Das geschieht mit der Smartphone-Kamera, der den Gang des pflegebedürftigen Menschen aufnimmt. Folgend können KI-basierte Analysen und Anleitungen durchgeführt werden, um das Sturzrisiko zu reduzieren. 

Beispiel: Demenzerkrankungen

Digitale Pflegeanwendungen können Menschen mit einer Demenzerkrankung helfen im Alltag im Zusammenspiel mit Angehörigen besser zu Recht zu kommen, Dabei werden therapeutische Maßnahmen per passgenauer Apps angeleitet, sowie passgenaue Informationen an die Hand gegeben. Weitere Services sind zum Beispiel personalisierte Gedächtnisspiele.

Beispiel: Dekubitus

Ein Zusatz für digitale Pflegeanwendungen kann die sehr relevante Versorgung von Dekubitus sein. Betroffen sind vor allem Menschen, die sehr schwach, gelähmt oder nicht bei vollem Bewusstsein sind. Sie liegen oder sitzen oft sehr lange unbeweglich in einer Position. Mit Hilfe von digitalen Pflegeanwendungen können Pflegebedürftige und ihre Angehörigen unterstützt werden, Dekubitus besser vorzubeugen, zu erkennen und zu versorgen.

Welche datenschutzrechtlichen Anforderungen sind zu beachten?

Die Prüfkriterien des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte beinhalten auch datenschutzrechtliche Anforderungen an die digitalen Pflegeanwendungen. 

Das Ganze basierend auf den Grundsätzen von Rechtsmäßigkeit, Verarbeitung nach Treu und Glauben, Transparenz und weitere Kriterien, die bereits aus der DSGVO, bzw. dem BDSG bekannt sind., 

Darüber hinaus gibt es auch hier die bekannten Anforderungen an die Verantwortlichen und die Auftragsverarbeiter mit der Datenschutzfolgeabschätzung und dem Verzeichnis von Verarbeitungstätigkeiten. 

Eine Liste an technischen und organisatorischen Maßnahmen rundet den Kriterienkatalog ab.

Interessanter sind die Anforderungen an die Informationssicherheit als Basis für die TOMs bei den „digitalen Anwendungen“, die ich in meinem Blog „Anwendungsicherheit“ nach ISO/IEC 27034 erläutert habe. 

Gerd Grimberger, 
Rechtsinformatiker

15. April 2023

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