Handels- und steuerrechtliche Aufbewahrungspflichten

Sowohl das Handelsrecht als auch das Steuerrecht schreiben vor, dass bestimmte Unterlagen und Daten über einen festgelegten Zeitraum archiviert werden müssen. Für Cloudbetreiber, die oft als Dienstleister für die Speicherung und Verwaltung solcher Daten agieren, sind diese Pflichten von zentraler Bedeutung. Sie tragen nicht nur eine Mitverantwortung für die rechtssichere Aufbewahrung, sondern müssen auch sicherstellen, dass die Daten jederzeit verfügbar, unveränderbar und revisionssicher sind. In diesem Blogbeitrag beleuchten wir die gesetzlichen Anforderungen an Aufbewahrungspflichten und erläutern, warum Cloudbetreiber hier eine Schlüsselrolle einnehmen.

1. Überblick

 

 

Handelsrecht

Steuerrecht

Adressat

Kaufleute

Person, die die Aufzeichnungspflichten zu erfüllen hat

Unterlagen die Aufbewahrte werden müssen

§ 257 Abs. 1 HGB

  • Handelsbücher ( Auch Lohnbuchführung, Wareneingangs- und -ausgangsbuch, Offene-Posten-Buchhaltung)
  • Inventare
  • Eröffnungsbilanzen
  •  Jahresabschlüsse
  • Lageberichte
  • Handelsbriefe (Angebote, Annahemen, Mängelrügen); auch E-Mails oder sonstige elektronisch übermittelte Nachrichten
  • Buchungsbelege

§ 147 Abs. 1 AO

  • Bücher und Aufzeichnungen
  • Inventare
  • Eröffnungsbilanzen
  • Jahresabschlüsse
  • Lageberichte
  • Steuererklärungen und Umsatzsteuervoranmeldungen
  • Handelsbriefe (Angebote, Annahemen, Mängelrügen); auch E-Mails oder sonstige elektronisch übermittelte Nachrichten
  • Buchungsbelege
  • Zollbelege
  • Sonstige Unterlagen, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind (bspw. Preislisten, Auftrags- und Bestellunterlagen, Aus- und Einfuhrunterlagen, einzelfallabhängige Vorstands- und Aufsichtsratsprotokolle)

Form der Aufbewahrung

  • § 257 Abs. 1 HGB schreibt eine „geordnete“ Aufbewahrung vor
    • Hintergrund: Ein sachverständiger Dritter soll innerhalb angemessener Zeit im Stande sein sich einen Überblick verschaffen zu können, § 238 Abs. 1 S. 2, 3 HGB
  • Eröffnungsbilanzen, Jahres- und Konzernabschlüsse und Einzelabschlüsse müssen im Original aufbewahrt werden
  • Konsequenz: elektronische Aufbewahrung ist nicht zulässig § 257 Abs. 3 S. 1 HGB
  • § 147 Abs. 2 AO
    • Jahresabschluss, Eröffnungsbilanz, GuV und Zollbelege müssen im Original aufbewahrt werden (Abs. 1 Nr. 4a)
    • Bei den übrigen Unterlagen sind andere Aufbewahrungssystem zulässig
      Wichtig: die Unterlagen müssen während der Aufbewahrungsfrist weder verändert noch gelöscht werden können (sog. revisionssichere Aufbewahrung)

 

Handelsrecht

Steuerrecht

Aufbewahrungsfrist

  • Zehn oder sechs Jahre § 257 Abs. 4 HGB
    • Jahresabschluss, Buchungsbelege = 10 Jahre
    • Handelsbriefe = 6 Jahre
  • Vereinzelt sieht das HGB abweichende Aufbewahrungsfristen vor
  • Gleichen denen des HGB
  • Aber kein Ablauf der Aufbewahrungsfrist, soweit und solange die aufbewahrungspflichtigen Unterlagen für die Besteuerung von Bedeutung sind, deren Festsetzung noch nicht abgelaufen ist § 147 Abs. 3 AO

Aufbewahrungsort

  • Keine Regelung
  • Aber bei elektronischen Daten müssen die Dokumente während der Aufbewahrungsfrist verfügbar sein und in angemessener Zeit lesbar gemacht werden können § 257 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 HGB
  • Inlandsprinzip § 146 Abs. 2 S. 1 AO
    • Dies schreibt jedoch keinen konkreten Ort in Deutschland vor
    • Auch zulässig ist die elektronische Aufbewahrung in anderen EU-Mitgliedstaaten
      • Kein Antrag notwendig
    • Aufbewahrung in Drittstaaten zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 146 Abs. 2b AO eingehalten werden
      • Antrag bei zuständigen Finanzamt
      • Mitteilung des Standorts des Datenverarbeitungssystems (alternativ der Name des Serverbetreibers) oder Name und Adresse bei der Beauftragung eines Dritten
      • Datenzugriff
      • Keine Beeinträchtigung der Besteuerung

Sanktionen

  • Keine Sanktionen
  • Allerdings ist die Aufbewahrungspflicht eine Bestandteil der ordnungsgemäßen Buchführung
  • Sind aufbewahrungspflichtige Unterlagen nicht mehr vorhanden kann es zu einer Schätzung der Besteuerungsgrundlage kommen § 162 Abs. 2 S. 2 AO

 

2. Bedeutung für Cloudbetreiber

Cloudbetreiber sind nicht nur technische Dienstleister, sondern auch wichtige Akteure bei der Einhaltung rechtlicher Vorgaben. Sie müssen ihre Infrastruktur und Prozesse so gestalten, dass sie die komplexen Anforderungen des Handels- und Steuerrechts erfüllen und ihren Kunden eine sichere und rechtskonforme Datenarchivierung bieten können.

Die Pflichten umfassen eine Vielzahl von Dokumenten, darunter Handelsbücher, Jahresabschlüsse, Buchungsbelege, Handelsbriefe und steuerrelevante Unterlagen wie Steuererklärungen oder Zollbelege. Diese müssen je nach Kategorie sechs oder zehn Jahre lang aufbewahrt werden, wobei die Fristen im Steuerrecht sogar verlängert werden können, solange die Unterlagen für die Besteuerung relevant sind.

Für Cloudbetreiber bedeutet dies, dass sie sicherstellen müssen, dass die Daten ihrer Kunden revisionssicher archiviert werden. Das heißt, die Unterlagen dürfen während der Aufbewahrungsfrist weder verändert noch gelöscht werden können. Zudem müssen die Daten jederzeit verfügbar und in angemessener Zeit lesbar sein. Dies erfordert nicht nur technisch hochwertige Speicherlösungen, sondern auch klare Prozesse zur Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben.

Es ist wichtig zu betonen, dass Cloudbetreiber nicht allein für die Einhaltung der gesetzlichen Aufbewahrungspflichten verantwortlich sind. Die Verantwortung liegt in erster Linie bei den Unternehmen, die als Kaufleute oder Steuerpflichtige zur Aufbewahrung verpflichtet sind. Cloudbetreiber übernehmen lediglich eine unterstützende Rolle, indem sie die technische Infrastruktur für die Speicherung und Verwaltung der Daten bereitstellen.

Im Rahmen des Vertragsabschlusses zwischen Cloudbetreiber und Kunde muss daher klar geregelt werden, wer für welche Aspekte der Datenverwaltung zuständig ist. Insbesondere sollte festgelegt werden, wer für die Datenarchivierung und wer für die Datensicherung verantwortlich ist.

  • Datenarchivierung bezieht sich auf die langfristige, revisionssichere Speicherung von Daten, die für gesetzliche Aufbewahrungsfristen relevant sind. Dabei muss sichergestellt werden, dass die Daten während der gesamten Aufbewahrungsdauer unveränderbar, vollständig und jederzeit zugänglich sind. Die Archivierung dient primär der Erfüllung rechtlicher Anforderungen, wie sie im Handels- und Steuerrecht festgelegt sind.
  • Datensicherung hingegen umfasst die regelmäßige Sicherung von Daten, um im Falle von Datenverlusten (z. B. durch technische Defekte, Cyberangriffe oder menschliches Versagen) eine schnelle Wiederherstellung zu ermöglichen. Die Sicherung ist vor allem eine Maßnahme zur Risikovorsorge und Business Continuity, hat aber keine unmittelbare rechtliche Aufbewahrungspflicht zum Gegenstand.

Durch eine klare vertragliche Regelung können Missverständnisse vermieden und die jeweiligen Verantwortlichkeiten transparent zugeordnet werden. Der Cloudbetreiber ist in der Regel für die Bereitstellung einer sicheren und zuverlässigen Infrastruktur verantwortlich, während der Kunde sicherstellen muss, dass die archivierten und gesicherten Daten den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Diese Aufgabenteilung ermöglicht es beiden Parteien, ihre Pflichten effizient zu erfüllen und rechtliche Risiken zu minimieren.

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