TEIL 3 Begriffe und Grundlagen
Der Wechsel zwischen zwei Datenverarbeitungsdiensten soll ohne große Erschwernisse und Ausfallzeiten für den Kunden möglich sein. „Wechselleichtigkeit“ und das Recht auf Datenportabilität sind die 2 Stichworte unter denen die Eingriffe in die Privatautonomie von dem Europäischen Parlament gerechtfertigt werden.
Verpflichtet sind:
Betroffen sind die Anbieter von Datenverarbeitungsdiensten nach Artikel 2 Nr. 8 DA. Gleichgültig ist die Größe des Datenverarbeitungsdienstes, es gibt keine Privilegien für KMUS. Selbst Dienste, die kostenlose Services anbieten, sind betroffen. Die Rechtspflichten bestehen gegenüber Unternehmen und Verbrauchern.
Keine vertraglichen Abweichungen
Die Regelungen des sechsten Kapitels des DA sind nicht disponibel, können also nicht durch anderslautende Vereinbarungen zwischen den Parteien abbedungen werden.
Ausnahmen:
Nach Artikel 2 Nr. 8 DA ist ein Datenverarbeitungsdienst „eine digitale Dienstleistung, die einem Kunden bereitgestellt wird und einen flächendeckenden und auf Abruf verfügbaren Netzzugang zu einem gemeinsam genutzten Pool konfigurierbarer, skalierbarer und elastischer Rechenressourcen zentralisierter, verteilter oder hochgradig verteilter Art ermöglicht ,die mit minimalen Verwaltungsaufwand oder minimaler Interaktion des Diensteanbieters rasch bereitgestellt und freigegeben werden können.“ Die Definition erinnert ein wenig der Definition des Artikel 6 Nr. 30 NIS 2 RL und wirft erhebliche Rechtsunsicherheiten auf.
Unter dem Begriff der Rechenressourcen sind Netze, Hardware oder sonstige virtuelle oder physische Infrastrukturen, Software, Speicher etc und eigentlich alles was man mit dem englischen Terminus „Services“ beschreibt, zu verstehen. Kern der Anwendungsfälle sind Dienste wie SaaS, PaaS, IaaS, BaaS, DaaS.
Definitionen:
Skalierbar sind die Dienste, wenn sie unabhängig vom Standort von dem Anbieter zugewiesen werden können, um Nachfrageschwankungen auszugleichen. Reine RZ- Anbieter, wenn sie Collocation anbieten, könnten deshalb vom Anwendungsbereich ausgenommen sein.
Verteilt sind die Dienste dann ,wenn Sie auf verschiedenen Rechnern installiert sind und untereinander kommunizieren und sie koordiniert werden können.
Minimaler Verwaltungsaufwand, konfigurierbar und rasch: Diese Tatbestandmerkmale sollen dann bestehen, wenn die Kunden des Dienstes eigenständig und ohne große Interaktion mit dem Anbieter einzelne Leistungspakete an ihre Bedürfnisse anpassen können.
„Gemeinsam genutzter Pool“Mit diesem „Tatbestandsmerkmal“ sind Services beschrieben, die mehreren Nutzern bereitgestellt werden, die über einen gemeinsamen Zugang auf den Dienst zugreifen, wobei die Verarbeitung jedoch für jeden Nutzer getrennt erfolgt, obwohl der Dienst über dieselbe elektronische Ausrüstung erbracht wird.
Unabhängig und bedarfsorientiert: Der Zugang zu den Services muss unabhängig und bedarfsorientiert stattfinden können. Übersetzt man dieses, so muss man also mit Clients auf die Webserver oder die zentrale Infrastruktur des Rechenzentrums zugreifen können.
Art 23: Grundsatz Wechsel zur gleichen Dienstart
Nach dem Artikel 23 Abs. 1 DA muss den Kunden ermöglicht werden, einen Wechsel zu einem Datenverarbeitungsdienst vorzunehmen, der „die gleiche Dienstart abdeckt“.
Als ich meine Kunden auf die Auswikungen des DA hinwies, bestand deren erste Reaktion darin, zu sagen, wir fallen gar nicht unter den Tatbestand des Kapitel 4 DA, weil es keinen „identischen Datenverarbeitungsdienst“ gibt, der gleiche Dienstarten abdeckt.
Auslegungen:
Ich komme jetzt genau auf diejenigen Unsicherheiten bei den juristischen Auslegungen, von denen ich eingangsschon gesprochen habe. Es ist nämlich unklar, ob die deutsche Fassung, die das Wort „gleich“ verwendet, wirklich richtig ist. Die englische Fassung spricht von dem Wort „Same“, also „demselben“ und im Deutschen besteht zwischen den Worten der „gleiche“ und „derselbe“ ein großer semantischer Unterschied.
Diese Spannung soll nun so gelöst werden, dass der Anwendungsfall des DA für das Bestehen eines Wechsels nur im Hinblick auf die funktionale Gleichwertigkeit der beiden Dienste betrachtet werden kann. Der Anwendungsbereich des 4. Kap des DA entfällt also nicht etwa deswegen, weil das Leistungspaket der Konkurrenz – nicht alle Funktionalitäten aufweist wie der eigene Service-.
Nur muss im Hinblick auf diese Funktionalitäten kein Wechsel versprochen und vorgenommen werden müssen. Aber: Für die Fälle, in denen auch die Konkurrenz entsprechende Leistungen anbietet, muss ein Wechsel vollzogen werden können.
Gleichzeitige Inanspruchnahme
Der Anbieterwechsel soll es dem Kunden auch ermöglichen, zwei oder mehr Dienste gleichzeitig in Anspruch nehmen zu können. Insofern ist der Begriff des Anbieterwechsels irreführend. Der Data Act will dem Kunden die Autonomie über die verwendeten Services geben, egal, ob es um einen Wechsel, einen weiteren Anbieter oder die Löschung der Daten geht.
Verpflichtende Maßnahmen
Der Anbieterwechsel muss erfolgreich durchgeführt werden können. Es handelt sich quasi um eine gesetzlich konstituierte Erfolgspflicht. Sofern ein solcher Wechsel nicht möglich ist, müssen dem Kunden vor dem Vertragsabschluss entsprehende Informationen zur Verfügung stehen. Verhindert werden soll ein unfreiwilliger Log in- Effekt.
Verbot von Hindernissen und Beseitigungspflicht, Art 23 S.2 DA
Es dürfen keine vorkommerziellen, gewerblichen, rechtlichen, technischen und organisatorischen Hindernisse bestehen, beziehungsweise müssen diese beseitigt werden. Ausnahme oder Rechtfertigungsgründe ,die einem Wechsel entgegenstehen,sind nicht erheblich.
Beim Lesen des Artikel 23 Abs.2 fällt lit. D auf. Danach muss sichergestellt werden ,das eine Funktionsäquivalenz bei der Nutzung des neuen Datenverarbeitungs- Dienstes erreicht wird. Nach dem Erwägungsgrund 86 bedeutet dies, dass nach einem Anbieterwechsel ein Mindestfunktionsumfang auf der Grundlage der exportierbaren Dateien und digitalen Vermögenswerte des Kunden in der Umgebung und des neuen Services in der gleichen Dienstart wiederhergestellt wird, wobei der übernehmende Datenverarbeitungsdienst bei gemeinsam genutzten Funktionen, die dem Kunden im Rahmen des Vertrags bereitgestellt werden, ein im Wesentlichen vergleichbares Ergebnis liefert. Wie man sieht, wird man hier auch warten müssen, was die Rechtsprechung im Laufe der Zeit unter dem „Tatbestand“ macht.
Buchstabe E sieht vor ,dass keine Hindernisse vorliegen dürfen, die eine Trennung der unter Artikel 30 Absatz 1 genannten Services von anderen vom Anbieter erbrachten Diensten vereiteln. Bsp: Wenn Sie mit Microsoft 365 arbeiten, muss also auch der Wechsel der Daten aus dem Onedrive ermöglicht werden. Diese Pflicht steht aber unter dem Vorbehalt der technischen Durchführbarkeit.
Ausblick:
Nach Art 49 Art 1 Lit N und Abs. 2 DA ist der EU-Kommission nun aufgetragen, bis zum 12.9.2028 die Auswirkung des DA und insbesondere die des sechsten Kapitels unter besonderer Berücksichtigung der KMU neu zu bewerten. Man scheint bereits jetzt zu erkennen,dass der DA eher bestehende oligopole amerikanische Anbieter stärkt als dem europäischen Mittelstand einen Gefallen zu tun.