Haftung im Internet für Handlungen Dritter, Teil II

Entsprechend entfällt die Störerhaftung dann, wenn die Prüfungspflicht des Dienstebetreibers nicht besteht. Sie besteht eigentlich immer dann, wenn er auf eine konkrete Rechtsverletzung hingewiesen wurde – oder genauer – und bestimmt dann, wenn er mehrfach darauf hingewiesen wurde, daß unter Zuhilfenahme seiner Dienste rechtswidrige Handlungen begangen wurden. In diesen Fällen hat der Dienstebetreiber alles zu tun, was die rechtswidrige Nutzung seines Dienstes verhindert. Die Grenze ist aber erst dann erreicht, wenn die Prüfungen einen solchen Umfang und eine solche Intensität erreichen würden, daß das Geschäftsmodell des Dienstebetreibers ins Wanken gerät (BGH GRUR 04,860,864 – Internetversteigerung I; BGH – Jugendgefährdende Medien). Das Hans.OLG geht in seiner Entscheidung Tripp-Trapp Stuhl (WRP 08,1569,1582) weiter, weil es im Prinzip eine falsch gestellte Frage sei, ob ein Geschäftsmodell, das von Beginn an die Möglichkeit des Missbrauchs durch Dritte als faktisch unabwendbare Möglichkeit mit beinhalte und ohnehin keinen Schutz von der Rechtsordnung erwarten könne. Ich halte diese Ansicht für richtig. Wer Verbrennungsmotoren baut, muß die Motoren so bauen, daß Belanges des Umweltschutzes berücksichtigt werden können. Wer das nicht kann, darf keine Motoren bauen. Das Argument, schadstoffarme Motoren würden leider den Businessplan sprengen, kann eine Rechtsordnung nicht gelten lassen.

Eine Störerhaftung entfällt auch dann, wenn die Prüfungspflicht nicht verletzt wurde oder nicht mit adäquaten Mitteln wahrgenommen werden kann. Die Anforderungen an die Zumutbarkeit und damit an den Inhalt der Prüfungspflicht selbst variieren stark und sind für jeden Einzelfall gesondert zu untersuchen. Sie sind deshalb unterschiedlich, je nachdem ob es sich um ein Forum zur Veröffentlichung von Meinungen handelt, um Verkaufsplattformen, Suchmaschinen, Provider oder Anonymisierungsdienste. Unter Umständen reichen automatisierte Verfahren nicht aus, sondern es muß auf manuellem Wege sichergestellt werden, daß der Dienst nicht missbraucht wird. Das Argument, daß menschliche Arbeitskraft Geld kostet, wird dabei nicht viel gelten. Wer weiß, daß auf seiner Baustelle viele Kinder spielen, wird zusätzlich für eine Wachmannschaft in Menschengestalt sorgen müssen, wenn er weiß, daß der Zaun zur Sicherung der Baustelle in der Vergangenheit vielfach nicht ausgereicht hat.  

Wenn eine Störerhaftung besteht, hat der Verletzte einen Anspruch auf Unterlassung oder Beseitigung aber nicht auf Schadensersatz. Ein Anspruch auf Schadensersatz besteht nach der aktuellen Rechtslage nur dann, wenn der Störer seine Verpflichtung zur Verhinderung neuer Rechtsverletzungen verletzt, es also zu  neuen Rechtsverletzungen kommt, weil der Dienstebetreiber erneut seinen Prüfungspflichten nicht in ausreichendem Maße nachgekommen ist. Eine weitergehende Haftung auf Schadensersatz kommt nur nach den Grundsätzen der Gehilfenhaftung in Betracht.

Weitere Beiträge

KI- VO Schulungspflicht beim Einsatz von AI

Besteht eine Pflicht zur Schulung von Mitarbeitern beim Einsatz von AI? Die Antwort heißt Nein, aber es ist aus praktischen Gründen gut, die Mitarbeiter zu schulen. Eine der besten Beschreibungen zum Status der AI der heutigen Zeit besteht darin, dass

Mehr lesen »

Support SLA: Inhalte und monetäre Aspekte

In verschiedenen Fällen von Vertragsverhandlungen ging es bei uns gerade wieder um das Thema Support SLA. Für welche Leistungen kann man Geld verlangen, für welche nicht? Fall 1: X (IT- Unternehmen) hat im Rahmen eines Kaufvertrags für K (Kunde) Software

Mehr lesen »
Nach oben scrollen