BGH: Amazon verletzt Marken im Rahmen seiner seiteninternen Suchmaschine…

…wenn für Internetnutzer nicht oder nur schwer erkennbar ist, ob die angezeigten Waren oder Dienstleistungen vom Inhaber der Marke oder von Dritten (Konkurrenzprodukten) stammen.

 

Mit Urteil vom 15.02.2018 (Az. I ZR 138/16)  hat der BGH sich mit der amazon-internen Suchmaschine und möglichen Markenverletzungen auseinander gesetzt.

Dieses Urteil hat Auswirkungen auf andere seiteninternen Suchmaschinen, sofern folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Die Internetseite wird von dem Seitenbetreiber auch technisch betrieben,
  • Der Seitenbetreiber ist für die Suchmaschine selbst verantwortlich,
  • Die Auswahl der in der Trefferliste angezeigten Suchergebnisse sind aufgrund einer automatisierten Auswertung des Kundenverhaltens veranlasst,
  • Die Anbieter der jeweiligen Waren oder Dienstleistungen haben auf die Suchergebnisliste keinen Einfluss,
  • Es wird ein mit der Marke identisches Suchwort eingegeben und
  • es ist nicht oder nur schwer erkennbar, ob die dort beworbenen Waren oder Dienstleistungen vom Inhaber der Marke (oder einem Lizenznehmer) stammen, oder erkennbar von einem Dritten.

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der verständige Internetnutzer bei einem Online-Marktplatz eher damit rechnet, auch Treffer von Konkurrenzprodukten zu finden, als dies bei einer reinen Suchmaschine der Fall ist.

Nun aber der Reihe nach

Die Klägerin vertreibt unter der Marke „ORTLIEB“ wasserdichte Taschen und Transportbehälter. Beklagte ist Amazon (bzw. die entsprechenden Gesellschaften).

Die Klägerin bietet ihre Produkte über ein selektives Betriebssystem und nicht über Amazon an. Gab man aber bei Amazon den Markennamen „Ortlieb“ an, so erschienen in der Trefferliste der amazon-internen Suchmaschine über 1.000 Ergebnisse. Hierunter befanden sich Angebote der Klägerin als auch Angebote von Drittanbietern. Drittanbieter waren sowohl Amazon selbst als auch andere Hersteller.

Der Vorwurf

Die Klägerin warf Amazon vor, dass die Marke dadurch benutzt werde, dass in der Ergebnisliste der Amazon-Suchmaschine Angebote von Fremdprodukten erschienen seien. Da Amazon die Suchmaschine beeinflusse, sei Amazon auch dafür verantwortlich.

Entscheidung des BGH

Zunächst stellt der BGH klar, dass derjenige eine Marke verletze, der einen Online-Shop betreibe und das Markenzeichen als Schlüsselwort verwende, um die Suchmaschine zu beeinflussen. Dies gilt auch, wenn der Online-Shop-Betreiber seinen Shop in einem Online-Marktplatz (wie Amazon) betreibt.

Das bedeutet, wenn Amazon nur die Möglichkeit bereithält, einen Online-Shop auf seinem Marktplatz zu betreiben und dort Schlüsselwörter einzugeben, dann ist Amazon nicht automatisch für Markenverletzungen des Online-Shop- Betreibers verantwortlich. Ebenfalls unkritisch ist das sog. Keyword- Advertising für den Suchmaschinenbetreiber.

Der Seitenbetreiber ist jedoch für eine Markenverletzung verantwortlich zu machen, wenn er selbst die Ergebnisliste beeinflusst. So heißt es in dem Urteil:

Entsprechendes gilt, wenn der Betreiber einer Internetseite, auf der Produkte versteigert und verkauft werden, das Ergebnis des Auswahlverfahrens in der Trefferliste einer Internetsuchmaschine dadurch gezielt beeinflusst, dass er die auf einer Internetseite vorhandene interne Suchmaschine so programmiert, dass Suchanfragen der Nutzer unter Verwendung von mit Marken identischen Zeichen automatisch in den Quelltext der Internetseite aufgenommen werden mit der Folge, dass sie von einer Internetsuchmaschine bei der Erstellung von Suchergebnislisten berücksichtigt werden (BGH, Urteil vom 30.Juli 2015 – I ZR 104/14, GRUR 2015, 1223 Rn. 23 f. = WRP 2015, 1501 – Posterlounge).

Nachdem nun die Verantwortung von Amazon bejaht wurde, war noch zu klären, ob überhaupt eine Markenverletzung vorliegt. Der BGH hat hier auf seine Rechtsprechung zum Keyword-Advertising zurückgegriffen (das OLG München hat einen Rückgriff auf diese Rechtsprechung noch verneint). Denn in beiden Fällen geht es um eine durch ein Suchwort ausgelöste Werbeanzeige.

Eine Markenverletzung kann nur angenommen werden, wenn die Herkunftsfunktion der Marke beeinträchtigt wird:

Bei der gebotenen Anwendung der Grundsätze des Keyword – Advertising ist zu prüfen, ob ein durchschnittlicher Internetnutzer nicht oder nur schwer erkennen kann, ob die in der hier in Rede stehenden Ergebnisliste beworbenen Waren vom Inhaber der Marke „ORTLIEB“ oder einem mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmen oder vielmehr von Dritten stammen.

(Hervorhebungen durch die Unterzeichnerin)

Das OLG hat daher nun zu prüfen, ob in der Trefferliste zu erkennen ist, ob die Produkte der Markeninhaberin zuzuordnen sind, oder ob erkennbar ist, dass es sich um Angebote Dritter handelt.

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