„Fack Ju Göhte“ als Marke nun doch eintragungsfähig? – Schlussantrag des Generalanwalts des EuGH

Das EuG hat am 24.01.2018 entschieden, dass der deutsche Filmtitel „Fack Ju Göhte“ nicht schutzfähig sei. Der Grund hierfür ist naheliegend und absurd zugleich:

Verstoß gegen die guten Sitten.

Gegen die Entscheidung des EuG hat die Constantin Film Produktion Rechtsmittel eingelegt. Nun wurde der Schlussantrag des Generalanwalts beim EuGH (Bobek) vom 2.07.2019 (Az. C-240/18 P) veröffentlicht (BeckRS 2019, 12828).

Einleitung

Bevor eine Marke eingetragen wird, prüft das Markenamt die Schutzfähigkeit des Kennzeichens. Dabei prüft das Amt insbesondere auch die absoluten Schutzhindernisse (§ 8 MarkenG), wie

  • – die fehlende Unterscheidungskraft des Kennzeichens (etwa wenn das Kennzeichen „Obstfrisch“ für Äpfel registriert werden soll),
  • – rein beschreibende Angaben des Kennzeichens (z.B. wenn das Wort „massiv“ für Holzmöbel registriert werden soll), oder
  • – Angaben, die im allgemeinen Sprachgebrauch oder in den ständigen Verkehrsgepflogenheiten zur Bezeichnung der Waren/Dienstleistungen üblich geworden sind.

Die Constantin Film Produktion GmbH meldete im April 2015 die Unionsmarke „Fack Ju Göhte“ bei dem EUIPO an. Dabei handelt es sich unter anderem auch um den Filmtitel einer deutschen Filmkomödie, die in Deutschland zu den größten Kinoerfolgen des Jahres 2013 zählt.

Das EUIPO hat die Anmeldung der Unionsmarke wegen Verstoß gegen die guten Sitten (Art. 7 Abs. 2 VO (EU) Nr. 2017/1001) zurückgewiesen. Dagegen hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdekammer wies die Beschwerde zurück. Die Begründung hierzu lautete unter anderem:

„Die maßgeblichen Verkehrskreise nähmen die Aussprache des Wortbestandteils „Fack Ju“ so wahr, als sei er identisch mit dem englischen Ausdruck „fuck you“, so dass er dieselbe Bedeutung habe. Weiter stellte die Beschwerdekammer fest, dass der Ausdruck „fuck you“, selbst wenn die maßgeblichen Verkehrskreise ihm keine sexuelle Bedeutung beimäßen, nicht nur eine geschmacklose, sondern auch eine anstößige und vulgäre Beleidigung darstelle. Der ergänzende Bestandteil „Göhte“, mit dem ein hochangesehener Schriftsteller wie Johann Wolfgang von Goethe posthum in herabwürdigender und vulgärer Weise verunglimpft werde, noch dazu in fehlerhafter Rechtschreibung, könne vom verletzenden und gegen die guten Sitten verstoßenden Charakter der Beschimpfung „Fack Ju/fuck you“ keinesfalls ablenken.  Zudem eröffne die Bezugnahme auf Johann Wolfgang von Goethe möglicherweise sogar eine weitere Ebene des Sittenverstoßes. Daraus, dass der Titel eines Films, der ein breiter Publikumserfolg gewesen sei, identisch mit der Markenanmeldung sei, dürfe nicht geschlossen werden, dass die relevanten Verkehrskreise keinen Anstoß an der angemeldeten Marke nähmen.“

Das Gericht der Euopäischen Union (EuG) bestätigte die Auffassung des EUIPO im Ergebnis.

Hiergegen hat die Antragstellerin Rechtsmittel eingelegt und diese mit Verstößen gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Rechtssicherheit und der guten Verwaltung eingelegt.

Wie der EuGH sich entsscheidet, ist nicht geewiss. Aber es ist nicht unwahrscheinlich, dass er dem Schlussantrag des Generalanwalts folgt.

Das Besondere an der Entscheidung wird jedoch sein, dass der EuGH offenbar erstmals die Gelegenheit erhält, zu klären, nach welchen Kriterien zu beurteilen ist, ob eine Markenanmeldung wegen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten zurückzuweisen ist: Wann handelt es sich um Markenanmeldungen, die „gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoßen“? Außerdem ist der Gerichtshof im Zusammenhang mit der vorliegenden Rechtssache aufgerufen, den Umfang der Begründungspflicht des EUIPO näher zu bestimmen, wenn es eine Entscheidung erlassen möchte, die als eine Abweichung von seinen früheren Entscheidungen zu ähnlichen Sachverhalten erscheint (so Bobek in seiner Einleitung im Schlussantrag).

Schlussantrag des Generalanwalts beim EuGH (Bobek)

Kurze Zusammenfassung der überaus ausführlichen Begründung des Schlussantrags des Generalanwalts:

Der Generalanwalt sieht den Sachverhalt nun völlig anders und schlägt dem EuGH vor, das Urteil des EuG aufzuheben.

Der Generalanwalt hat sich sowohl mit den Werken Goethes auseinander gesetzt, als auch mit der Meinungsfreiheit  im Zusammenhang mit den absoluten Eintragungshindernissen. Dabei kommt er zu dem Ergebnis, dass das EUIPO und das EuG dem Grundrecht der freien Meinungsäußerung einen zu geringen Stellenwert beigemessen haben. Zudem ist es nicht die Hauptaufgabe des EUIPO, sich mit den Merkmalen der öffentlichen Ordnung und guten Sitten auseinander zu setzen. Das Gericht hat nach Auffassung Bobeks die Auslegung des Merkmals der guten Sitten rechtsfehlerhaft ausgelegt:

„Diese Wahrnehmung zeigt meines Erachtens auch gut die Rolle, die die guten Sitten im Unionsmarkenrecht spielen. Da die Erarbeitung und die Ermittlung der „guten Sitten“ (sowie der „öffentlichen Ordnung“) kaum die vorrangige Rolle des EUIPO darstellt, ist es nur schwer vorstellbar, dass das EUIPO dazu berufen ist, auf einmal eine eigene ausgeprägte Vorstellung über die guten Sitten einzunehmen, die von der in dem jeweiligen Mitgliedstaat vorherrschenden unabhängig (oder sogar erheblich strenger) ist.“

Der Generalanwalt hat zudem kritisiert, dass das EUIPO einen ähnlich gelagerten Fall ohne hinreichende Argumentation anders entschieden hat:

„Zusammenfassend bin ich der Ansicht, dass das Gericht rechtsfehlerhaft nicht beanstandet hat, dass das EUIPO die Abweichung von seiner bisherigen Entscheidungspraxis nicht angemessen begründet hat oder keinen schlüssigen Grund dafür angegeben hat, warum über die Anmeldung des streitigen Zeichens anders zu entscheiden war als in einem ähnlichen Fall, auf den die Rechtsmittelführerin das EUIPO hingewiesen hatte.“

Wie der EuGH diesen Fall letztendlich bewertet, bleibt offen. Die Argumente werden aber von vielen Markenrechtlern mit großem Interesse erwartet.

 

 

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