Telefonnummer muss im Fernabsatz nicht zwingend angegeben werden – EuGH, Urteil vom 10.07.2019

In der Vergangenheit habe ich einige Abmahnungen bearbeitet, in denen es um die Informationspflichten des Unternehmers gegenüber dem Verbraucher ging. In einigen Fällen wurde beanstandet, dass keine Telefonnummer zur Kontaktaufnahme bereitgestellt werden würde. Es gibt auch einige Gerichtsentscheidungen, die den Gesetzeswortlaut der Verbraucherrichtlinien so interpretiert haben, dass in jedem Fall eine Telefonnummer für eine Kontaktaufnahme vorgehalten werden müsse.

Ich erspare Ihnen in diesem Artikel eine ausführliche Erläuterung zur Thematik und den Grundzügen des Verbraucherrechts.

Ich setze voraus, dass Sie wissen:

  • Sie müssen im Fernabsatzgeschäft dem Verbraucher gewisse Informationen zur Verfügung stellen, wie z.B. die Eigenschaften der Ware oder Dienstleistung, die Identität des Unternehmers, den Gesamtpreis der Waren oder Dienstleistungen, die Zahlungsbedingungen etc.
  • Wenn Sie im Fernabsatz tätig sind, müssen Sie dem Verbraucher erklären, dass er ein Widerrufsrecht hat;
  • Sie müssen ihm die Widerrufsfolgen erläutern;
  • Sie müssen ein Musterformular vorhalten, welches der Verbraucher verwenden kann, um sein Widerrufsrecht auszuüben.

Bisherige Rechtsprechung

Einige Gerichte vertraten die Auffassung, dass der Unternehmer im Fernabsatz im Rahmen der Verbraucherrichtlinie und der gesetzlichen Vorgaben im Fernabsatz stets eine Telefonnummer anzugeben habe, um dem Verbraucher die Gelegenheit zu geben, den Unternehmer anrufen zu können (so z.B. LG Bochum, Urteil v. 06.08.2014 – 13 O 102/14, OLG Hamm, Beschluss v. 03.03.2015 – 4 U 171/14 ; OLG Frankfurt, Beschluss v. 04.02.2016 – 6 W 10/16). Dabei reichte es den Gerichten aus, dass eine Telefonnummer lediglich existieren müsse!

Die Krux daran ist jedoch, dass jeder Unternehmer eine Telefonnummer haben wird, allein um seine geschäftlichen Tätigkeiten zu koordinieren und z.B. mit den Behörden in Kontakt zu treten. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Unternehmer gleichzeitig z.B. jeden Widerruf des Verbrauchers oder sonstige Anliegen mit der Telefonnummer bearbeiten will und kann. Gerade bei Einzelunternehmern dürfte dieses Erfordernis eine nicht zu überwindende Hürde darstellen. Das aber war den Gerichten egal.

Entscheidung des EuGH (Urteil v. 10.07.2019 – C-649/17, Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. – Amazon)

Nun hat der EuGH sich zu diesem Thema äußern müssen und der Sache ein Ende bereitet.

In dem Verfahren ging es um die Kontaktmöglichkeiten bei Amazon. Amazon hat vor Abschluss des Bestellvorgangs dem Besteller die Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit Amazon bereitgestellt mit dem Button: „Kontaktieren Sie uns“. Dabei stellte Amazon mehrere Möglichkeiten zur Verfügung, z.B. die Rückruf-Option, wenn der Verbraucher seine Telefonnummer hinterlässt, oder den Online-Austausch per Chat, oder die Kontaktaufnahme per Email. Nicht angegeben wurde eine Faxnummer oder eine Telefonnummer.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. vertrat die Auffassung, dass dies nicht ausreiche und für den Verbraucher nicht effizient sei, und somit gegen gesetzliche Verpflichtungen verstoßen werde.

Die Sache ging bis zum Bundesgerichtshof (BGH), welcher die Auslegung der Verbraucherrichtlinie dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) überließ. Der BGH legte also dem EuGH die folgenden Frage vor:

  1. Können die Mitgliedstaaten eine Bestimmung vorsehen, die – wie die Bestimmung des Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EGBGB – den Unternehmer verpflichtet, dem Verbraucher im Rahmen des Abschlusses von Fernabsatzverträgen vor Abgabe von dessen Vertragserklärung (nicht nur gegebenenfalls, sondern) stets seine Telefonnummer zur Verfügung zu stellen?
  2. Bedeutet die in (der deutschen Sprachfassung des) Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2011/83 verwendete Wendung „gegebenenfalls“, dass ein Unternehmer nur über in seinem Unternehmen bereits tatsächlich vorhandene Kommunikationsmittel informieren muss, er also nicht gehalten ist, einen Telefon- oder Telefaxanschluss bzw. ein E‑Mail-Konto neu einzurichten, wenn er sich entschließt, in seinem Unternehmen auch Fernabsatzverträge abzuschließen?
  3. Falls die Frage 2 bejaht wird:

Bedeutet die in (der deutschen Sprachfassung des) Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2011/83 angeführte Wendung „gegebenenfalls“, dass nur solche Kommunikationsmittel bereits in einem Unternehmen vorhanden sind, die vom Unternehmer tatsächlich jedenfalls auch für den Kontakt zu Verbrauchern im Rahmen des Abschlusses von Fernabsatzverträgen eingesetzt werden, oder sind auch solche Kommunikationsmittel im Unternehmen vorhanden, die vom Unternehmer bislang ausschließlich zu anderen Zwecken, wie etwa der Kommunikation mit Gewerbetreibenden oder Behörden, genutzt werden?

  1. […]

Nicht anders zu erwarten und völlig richtig hat der EuGH die Vorlagefragen des BGH wie folgt beantwortet:

  1. Der Unternehmer ist nicht verpflichtet, vor Abschluss eines Vertrags mit einem Verbraucher im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen stets seine Telefonnummer anzugeben.
  2. Der Unternehmer ist nicht verpflichtet, einen Telefon- oder Telefaxanschluss oder ein Email-Konto eigens für die Kontaktaufnahme mit dem Verbraucher einzurichten.
  3. Der Unternehmer ist verpflichtet, eine Telefon- oder Telefaxnummer oder eine Email-Adresse zu übermitteln, wenn er über diese Kommunikationsmittel mit den Verbrauchern bereits verfügt.
  4. Der Unternehmer kann auch andere Kommunikationsmittel als Telefonnummer, Fax oder Email zur Verfügung stellen, wenn diese eine direkte und effiziente Kommunikation ermöglichen.

Dabei ist zu beachten, dass der Unternehmer in jedem Fall geeignete und effiziente Kommunikationsmittel zur Verfügung stellen muss, aber eben nicht zwangsläufig eine Telefonnummer.

Zu der Formulierung „gegebenenfalls“ in Art. 6 Abs. 1 lit. c) der Verbraucherrichtlinie äußert sich der EuGH wie folgt:

„Nach alledem ist die Wendung „gegebenenfalls“ in Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2011/83 dahin auszulegen, dass sie die Fälle erfasst, in denen der Unternehmer über eine Telefonnummer oder Telefaxnummer verfügt und er diese nicht allein zu anderen Zwecken als dem Kontakt mit den Verbrauchern verwendet. Anderenfalls verpflichtet ihn diese Bestimmung nicht, den Verbraucher über diese Telefonnummer zu informieren oder gar einen Telefon‑ oder Faxanschluss bzw. ein E‑Mail-Konto neu einzurichten, damit die Verbraucher mit ihm in Kontakt treten können.“ (EuGH C-649/17, Rn. 51)

An dieser Stelle möchte ich noch einmal meine Freude über diese Entscheidung kundgeben. Es ist richtig und wichtig, dass der EuGH diese Entscheidung nun getroffen hat. Denn gerade Kleinunternehmer können sich den Weg bis zum BGH in der Regel nicht leisten, auch wenn die Fehlentscheidungen der Instanzgerichte auf der Hand lagen. Viele Unternehmer wurden in der Vergangenheit zu Unrecht abgemahnt und scheiterten an der Kurzsichtigkeit der Gerichte. Dies hat nun glücklicherweise ein Ende.

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