Altersphasenmodell ade – BGH kappt nachehelichen Unterhalt

Immer noch höchst brisant ist die Frage, wie viel geschiedene Ehegatten – regelmäßig die Frauen – nach Inkrafttreten der Unterhaltsreform zum 01. Januar 2008 arbeiten müssen. Rechtsprechung und Kommentarliteratur legten teils einen Eiertanz hin. Klare Worte suchte MANN vergeblich.

Dabei ist der Grundsatz einfach. Bis zum 3. Lebensjahr gemeinsamer Kinder kann der betreuende Elternteil frei entscheiden, ob er arbeiten oder betreuen will, oder etwas von beidem (Basisunterhalt). Ab dem 4. Lebensjahr des Kindes greift der Grundsatz der Eigenverantwortung. Den gab es zwar früher auch schon, aber die Rechtsprechung hatte ihn durch das sogenannte Altersphasenmodell weitgehend außer Kraft gesetzt. Danach mussten die Frauen regelmäßig bis zur Vollendung der Grundschule des jüngsten Kindes gar nicht, dann teilschichtig und etwa ab dem 16. Lebensjahr des Kindes voll arbeiten.

Nach der Reform gilt, dass nachehelicher Unterhalt ab dem 4. Lebensjahr der Kinder die Ausnahme von der Regel sein soll und nur noch nach Billigkeit verlangt werden kann. Es müssen Eltern- oder Kindbezogene Gründe vorliegen, wobei letzteren das größere Gewicht zukommt. Konsequenz: die Frauen, die es ja regelmäßig betrifft, müssen grundsätzlich darlegen und beweisen, warum sie nicht durch eine vollschichtige Berufstätig ihren Lebensunterhalt eigenverantwortlich bestreiten, sprich verdienen können. Sie tragen die Darlegungs- und Beweislast.

Und nun sagt der BGH (Urteil vom 18. März 2009, Az.: XII ZR 74/08) erfreulich deutlich, dass ihnen hierbei kein Altersphasenmodell zu Hilfe kommt. Denn genau das wollte der Gesetzgeber mit der Reform abschaffen. Klare Worte, die alle mit dem Thema befassten bislang vermisst haben. Den Überlegungen vieler Gerichte, wieder ein modifiziertes Altersphasenmodell einzuführen, dürfte der BGH damit einen deutlichen Riegel vorgeschoben haben. Allerdings sind abrupte Übergänge zu vermeiden. Es gibt noch die Möglichkeit Unterhaltsansprüche herabzusetzen und/oder zu begrenzen.

Also doch eine Entlastung für die Männer und mehr (wirtschaftliche) Eigenverantwortung für die Frauen. Dennoch sollte die BGH-Entscheidung nicht über eine andere Frage hinwegtäuschen, die aber mehr eine gesellschaftliche oder gar politische ist: Wie viel persönliche Zeit ist uns (und der Gesellschaft) die Erziehung und Betreuung unserer Kinder wert?

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