Markenrecht: Marke und Moral – „FICKEN LIQURS“

Verstößt eine Marke in unerträglicher Art und Weise gegen das sittliche Empfinden, ist ihr die Eintragung zu versagen. Das EuG sah diese Voraussetzung für den deutschen Sprachraum in seiner Entscheidung über die Gemeinschaftsmarke „FICKEN LIQURS“ für Bekleidung und alkoholische wie nicht-alkoholische Getränke als erfüllt an (Urteil vom 14.11.2013 – T-54/13) und entschied damit anders als das BPatG über die identische deutsche Marke (Beschluss vom 28.09.2011 – 26 W (pat) 44/10).

Nach Ansicht des EuG empfänden die maßgeblichen Verkehrskreise das Wort „Ficken“ als vulgär, anstößig, obszön und abstoßend. Darüber hinaus hielten die Luxemburger Richter die Verbindung von sexueller Anspielung und alkoholhaltigen Getränken für gefährlich. Denn auf diese Weise werde der Eindruck vermittelt, der Genuss dieser Getränke steigere die sexuelle Attraktivität.

Nichts an dieser Einschätzung ändere die Tatsache, dass das Wort „Ficken“ in Deutschland durchaus zum normalen Sprachgebrauch vieler Menschen – und damit eines Teils der angesprochenen Verkehrskreise – gehöre. Bei durchschnittlicher Betrachtung müsse ungeachtet dessen davon ausgegangen werden, dass der Begriff jenseits der üblichen Toleranz- und Empflindlichkeitsschwelle liege.

Ganz anders hatte dies rund zwei Jahre zuvor der 26. Senat des BPatG gesehen, der über die deutsche Markenanmeldung „FICKEN LIQURS“ zu entscheiden hatte.

Für die Ansicht des BPatG spricht, dass das Wort „Ficken“ sogar im Duden verzeichnet ist und tatsächlich insbesondere unter jüngeren Menschen durchaus gebräuchlich ist. Keineswegs kann daher ohne weiteres von einem unerträglichen Verstoß gegen das sittliche Empfinden ausgegangen werden. Hier hätte es einer Verkehrsbefragung bedurft.

Denn – und das ist entscheidend – die Schranke der Sittlichkeit ist nicht dazu angetan, bloße ästhetische Beurteilungen und Geschmacksfragen in die Entscheidung über die Eintragungsfähigkeit von Marken einfließen zu lassen.  Dass das Wort „Ficken“ wohl als geschmacklos gelten muss, darf die Entscheidung daher nicht beeinflussen.

Die Entscheidung blendet überdies die werbliche Realität aus, in der regelmäßig mit sexualisierten Begriffen gearbeitet wird. Vor diesem Hintergrund ist erst recht ein objektiver Maßstab dafür zu suchen, welche Begriffe noch als unerträglich anzusehen sind.

Bleibt das EuG bei seiner Linie (die im Übrigen auch der strengen Haltung des 27. Senats des BPatG entspricht), ist bei der Anmeldung von Gemeinschaftsmarken künftig noch größere Vorsicht geboten. Begriffe werden dann unter Anlegung strenger moralischer Maßstäbe daraufhin überprüft werden müssen, ob sie in einer der Sprachen der EU-28 als im sexuellen Kontext anstößig  empfunden werden könnten.

Für den deutschen Markenanmelder könnte sich eine Umgehung dieser Problematik dadurch anbieten, dass eine Registrierung über eine der liberaleren Spruchkammern des DPMA/BPatG erfolgt und diese Marke dann über internationale Registrierungen im gewünschten Umfange ausgedehnt wird. Dies dürfte allerdings zu deutlich höheren Kosten führen.

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