Wettbewerbsrecht: Vorsicht bei Werbung mit Unternehmenstradition

Tradition und Kontinuität eines Unternehmens sind in der Werbung ein echtes Pfund. Denn Verbraucher sehen hierin einen besonderen Nachweis von Beständigkeit und verlässlicher Qualität der angebotenen Waren oder Dienstleistungen. Deshalb dürfen neu gegründete Unternehmen hierzu keine irreführenden Angaben machen. Dies gilt auch, wenn Traditionsmarken fortgeführt werden, wie das OLG München entschied (Urteil vom 07.11.2013 – 29 U 1883/13).

Im konkreten Fall ging es um ein Unternehmen, das im Jahr 2010 gegründet worden war und mit Edelmetallen handelte. Hierfür ließ es sich die seit Jahrzehnten für solche Waren und damit zusammenhängende Dienstleistungen eingetragene Marke „Degussa“ lizenzieren. In der Werbung berief sich das junge Unternehmen auf die bis ins Jahr 1843 zurückreichende Tradition der Degussa. Außer der Marke jedoch bestand keinerlei Verbindung zu dem Traditionsunternehmen. Insbesondere hatte das junge Unternehmen keine Geschäftsbereiche der Degussa übernommen oder sonst fortgeführt.

Das OLG München entschied nun, dass unter den gegebenen Umständen die Werbung mit der Unternehmenstradition von Degussa unzulässig, weil irreführend sei. Verbrauchern gegenüber würde der unrichtige Eindruck erweckt, das junge Unternehmen stehe in der Kontinuität des Traditionsbetriebs. Hiermit würden im Verkehr Eigenschaften wie Zuverlässigkeit, Solidität und langjährige Wertschätzung in Anspruch genommen. Dies gelte insbesondere in einer Branche wie dem Edelmetallhandel. Tatsächlich aber sei das Unternehmen eben erst wenige Jahre alt. Verbraucher würden so bewusst in die Irre geführt.

Das Urteil setzt konsequent die zu ähnlichen Konstellationen bereits ergangene Rechtsprechung fort. Tradition und Beständigkeit darf in der Werbung nur für sich in Anspruch nehmen, wer tatsächlich auf eine lange Unternehmenshistorie zurückblickt.

Nichts spricht natürlich dagegen, dass das hier verklagte Unternehmen die Marke „Degussa“ führt und somit mittelbar natürlich auch weiterhin deren traditionsreiche Geschichte auf seine eigenen Angebote überträgt. Insofern sind die Auswirkungen der zitierten Rechtsprechung auf die Möglichkeiten der Werbung mit traditionsreichen Marken nach wie vor begrenzt. Untersagt ist lediglich die irreführende Bezugnahme auf die langjährige Unternehmensgeschichte, sofern tatsächlich keine Fortführung des alten Unternehmens vorliegt.

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