IT-Recht: Unbewusste Übernutzung und Vergütungspflicht, Entscheidung OLG Frankfurt a.M. 19.6.2019

Unbewusste Übernutzung und Vergütungspflicht, Entscheidung OLG Frankfurt a.M. 19.6.2019

Eine ältere Entscheidung des OLG Frankfurt: Ein Kunde wehrte sich gegen einen SaaS- Betreiber, der VM´s betreibt. Infolge des höheren Bedarfs des Kunden hatte der SaaS- Anbieter eine weitere VM- Instanz aufgesetzt. Der Kunde sollte jetzt die Lizenzkosten für die weitere Instanz bezahlen. Der Kunde hatte dem Aufsetzen der weiteren Instanz aber nicht zugestimmt– er wusste davon nichts, da dem ein technisch bedingter Auslagerungsprozess zugrunde lag, über den er nicht informiert wurde.

Spannend ist die Entscheidung nicht, weil das Gericht Ausführungen darüber macht, dass beim SaaS möglicherweise keine Vervielfältigung auf den Client-Rechnern des Kunden stattfindet. Das sind technische Dinge, die das Gericht hätte abfragen können und die bekannt sind. SaaS bedeutet, dass der Kunde über öffentliche Datennetze auf eine Software zugreifen kann – und diese Form der Nutzung ist über den § 69c Nr.4 UrhG lizenzpflichtig.

Spannend ist die Entscheidung aber aus einem anderen Grund: Nämlich dem, dass die Übernutzung eines technischen Systems durch den Kunden, für das das IT- Unternehmen später eine erhöhte Vergütung fordert.

  1. Ausgangslage

1.) Grundsatz

Es gibt Lizenzmodelle von vielen Anbietern, die eine höhere Vergütungspflicht auch für die Fälle vorsehen, in denen der Kunde von den technisch bedingten Vervielfältigungshandlungen nichts weiß.

Noch einmal: Das Urhebergesetz sagt, dass bestimmte Nutzungs- und Verwertungshandlungen unter dem Zustimmungsvorbehalt des Berechtigten stehen. Diese Handlungen sind in dem § 69c UrhG für den Bereich der Software beinahe enumerativ beschrieben, weil der BGH sich seit Jahrzehnten weigert, diesen Kanon zu erweitern. Mit schöner Regelmäßigkeit kommen insbesondere US- amerikanische Softwareanbieter auf neue Ideen, welche Nutzungsarten sie noch von einem Zustimmungsvorbehalt abhängig machen könnten. Eine Lizenz gibt man gerne, wenn dafür ausreichend bezahlt wird. Das Problem sind die Europäer, und insbesondere die Deutschen, die sich diesen neuen Verwertungsquellen entgegenstellen. Der Inhaber der Nutzungsrechte darf eben nicht willkürlich neue Verbietungsrechte erfinden, die man zu Geld machen kann, sondern ist an den oben beschriebenen Kanon gebunden. Und in Deutschland darf man gekaufte Software weiterverkaufen oder OEM Lizenzen von dem Gerät strippen und weiterverkaufen etc.

2.) Ein neuer Weg zusätzlicher Vergütung

Und in diese Reihe passt die Idee, dass der Kunde für einen technischen Prozess Geld bezahlen soll, den er nicht kennt und über dessen Vergütungspflicht nur kryptische Angaben gemacht wurden.

Der Hintergrund ist immer und stets, dass der Kunde die technischen Systeme intensiver nutzt als zunächst vereinbart und sich aus dieser Übernutzung dann Vergütungsansprüche ergeben sollen. Die Gerichte sind hier sehr, sehr zurückhaltend. Das Auslösen technischer Prozesse führt grundsätzlich nicht zu einer erweiterten Vergütungspflicht, es sei denn, der Kunde wurde hierüber transparent informiert (und das heißt nicht Intransparenz, so wie in vielen Lizenztexten, aus denen man auch bei gutwilliger Handhabung nicht erkennt, was einem droht).

In dem konkreten Beispiel des OLG Frankfurt ging es um eine „neue VM“, aber Beispiele wären auch „mehr Speicherplatz“, „mehr Softwarelizenzen für User“, etc. Das Schema ist eigentlich immer das Gleiche.

Die Gerichte sagen beinahe immer: Entweder realisiert das IT- Unternehmen technische Maßnahmen, die eine Übernutzung verhindern oder der Kunde muss zu der Übernutzung eine informierte Entscheidung treffen. Und in diese Reihe passen die Entscheidung des Kammergerichts Berlin zu einer Übernutzung von Software und auch diese Entscheidung des OLG Frankfurt.

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