IT-Recht: Aushandeln von Vertragsklauseln – mehr als nur Verhandeln

Es ist ein echter Dauerbrenner, der auch in der anwaltlichen Beratungspraxis beinahe täglich eine Rolle spielt: Wie lassen sich die Regelungen des AGB-Rechts wirksam und rechtssicher ausschließen? Für IT-Unternehmen ist das insbesondere immer dann relevant, wenn die Haftung für Schadensersatzansprüche der Höhe nach beschränkt werden soll. Das nämlich ist in AGB nicht möglich! Hier braucht es also eine individualvertragliche Regelung. Der BGH hat nun wieder einmal klargestellt, dass hierfür hohe Hürden zu überwinden sind (Urteil vom 20.03.2014 – VII ZR 248/13).

Es ist regelmäßig ein Schock für den Mandanten, wenn die Durchsicht der Standardverträge ergibt, dass diese hinsichtlich der Haftungsbegrenzungen schlicht nicht durchsetzbar sind. Denn Haftungsbegrenzungen der Höhe nach sind nach der Rechtsprechung schlicht nicht wirksam, weil hierin eine unangemessene Benachteiligung der jeweils anderen Vertragspartei gesehen wird. Mit anderen Worten: Die gesamte Risikokalkulation der Verwender steht auf sehr, sehr tönernen Füßen. Denn bei einer unwirksamen Haftungsbegrenzung in den AGB haftet das Unternehmen stets voll und summenmäßig unbegrenzt!

Der zweite Schock entsteht dann, wenn die Beratung ergibt, dass mit den Kunden tatsächlich ausführlich und unmissverständlich darüber gesprochen werden muss, dass und welche Haftungsbegrenzung gewünscht wird. Nur so nämlich lässt sich eine wirksame individualvertragliche Regelung überhaupt vereinbaren. Ein Fakt, der Vertriebsmitarbeiter und Geschäftsführung regelmäßig nah an die Verzweiflung bringt.

Der BGH hat nun aber erneut dargelegt, dass und warum sich die Regelungen des AGB-Rechts mit ihren für den Verwender unangenehmen Konsequenzen nicht anders ausschalten lassen. Im konkreten Fall hatte ein Unternehmen zweierlei versucht, um eine vermeintlich elegantere und vor allem vertriebsfreundlichere Lösung zu finden.

Zum einen wurde ein Verhandlungsprotokoll aufgesetzt, in dem pauschal festgehalten wurde, über den Vertrag sei „ausgiebig und ernsthaft verhandelt worden“. Das hielt der BGH – wie nicht anders zu erwarten – für nicht ausreichend. Denn ein Aushandeln von Vertragsbedingungen sei eben mehr als ein bloßes Verhandeln des Vertrags. Entscheidend ist, dass die fraglichen Regelungen ernsthaft zur Disposition gestellt und dem Vertragspartner die Möglichkeit gegeben wird, auf Inhalt und Formulierung der Klauseln Einfluss zu nehmen. Dieses Aushandeln einer Regelung muss der Verwender der AGB im Streitfall beweisen. Und dafür reicht eine pauschale Aussage eben nicht aus. Erforderlich ist, dass im Einzelnen festgehalten wird, was genau die Parteien besprochen haben (Risikoverteilung, Versicherungsmöglichkeiten etc.).

Ebenfalls nicht als zulässige Gestaltung wertete der BGH die zweite Maßnahme des Verwenders. Der hatte nämlich in seinen AGB eine Klausel ausgenommen, nach der es sich eben gerade nicht um AGB handele. Auch dies ein denkbar unglücklicher und demgemäß erfolgloser Versuch, das strenge AGB-Regime zu umgehen. Denn – das stellt der BGH nochmals klar – die Anwendbarkeit des AGB-Rechts liegt eben gerade nicht im Belieben der Parteien und schon gar nicht des Verwenders der AGB. Was AGB sind, legt das Gesetz fest: Danach sind es alle Klauseln, die vom Verwender für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert worden und dem Vertragspartner bei Vertragsschluss gestellt, also nicht ausverhandelt worden sind.

Nichts Neues also aus Karlsruhe: Ausverhandeln bleibt ein mühseliger Prozess, der beim Vertrieb keine Begeisterung hervorrufen wird. Aber nur auf diesem Weg lassen sich unternehmerische Risiken, insbesondere im Bereich der Haftung wirksam begrenzen. Werden hier die falschen, weil rechtlich unwirksamen Gestaltungen gewählt, kann es im Schadensfall äußerst unangenehm werden. Ergeben sich haftungsverursachende Schäden im Core einer Standardlösung, die bei X Kunden im Einsatz ist, kann dies bei einer unwirksamen Haftungsbegrenzung sogar existenzbedrohend werden.

Eine wirksame Vertragsgestaltung zur Haftungsbegrenzung ist also letztlich im Interesse beider Parteien.

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