Wettbewerbsrecht erklärt von einem Rechtsanwalt: Das Lockvogelangebot im UWG nach neuem Recht

Einleitung

Lockvogelangebote kennt jeder. Auffällige Werbung wird dazu verwendet, den Kunden in das Ladenlokal (oder auf die Page) zu locken. Dort angekommen stellt der Kunde fest, daß das beworbene Produkt nicht vorhanden ist. Dafür aber viele andere Produkte, die er – wenn er denn sowieso schon im Ladengeschäft ist – sich auch einmal anschauen kann.

Die gängigste Form des Lockvogelangebots kennen wir alle: Es wird mit einem günstigen Preis geworben, doch leider ist die Ware schon ausverkauft. Andere, dort vorhandene Produkte sind regelmäßig ein wenig teurer als der gängige Marktpreis. Viele Menschen fallen auf diese WErbung herein, weil sie nicht in der Lage sind, sich darauf zu beschränken, nur das Produkt zu kaufen, das günstig beworben wurde, sondern – wenn sie dann schon mal im Laden sind – auch andere Produkte kaufen.

Die schöne Aufgabe für den Rechtsanwalt lautet aktuell vorherzusehen,  wie sich das Recht künftig entwickelt. Die Europäische Richtlinie RiL 2005/ 29/ EG über unlautere Geschäftspraktiken war bis zum 12.12.2007 umsetzen (eine Umsetzung soll in diesem Jahr erfolgen).  Die Richtliniebeinhaltet eine Blacklist von Werbeformen, die immer die wettbewerbswidrigkeit indizieren. Die Liste wird als Anlage I geführt. Dort findet sich unter den Nummern 5 und Nr. 6 Aussagen, die genau die Lockvogelangebote betreffen.  

Die Lage nach dem alten Recht

Im UWG ist dieser Tatbestand bislang im § 5 Abs. V 3 als Sonderform der Irreführung geregelt. Dort heißt es, es sei irreführend, für eine Ware zu werben, die unter Berücksichtigung der Art der Ware sowie der Gestaltung und Verbreitung der Werbung nicht in angemessener Menge zur Befriedigung der zu erwartenden Nachfrage nicht in angemessener Menge zur Befriedigung der zu erwartenden Nachfrage vorgehalten ist. Der Kunde wird über den Umfang der Bevorratung irregeführt. Regelmäßig istvon einer Bevorratung von zwei Tagen auszugehen.

Die Rechtsprechung hat in einer Reihe von Entscheidungen den Tatbestand weiter konkretisiert und sichinsbesondere mit den von den Anbietern verwendeten Formen von Disclaimern befassen müssen. So könne der Anbieter einer Irreführung des Kunden z.B. dadurch entgegenwirken, daß er angebe, es handele sich um Restposten oderEinzelstücke (BGH GRUR 04, 343,344). Unter Berücksichtungung derSIchtweise desdurchschnittlich verständigen, informierten und aufmerksamen  Durchschnittskonsumenten müsse in jedem Einzelfall herausgestellt werden, ob ein Lockvogelangebot vorliegt oder nicht. Aus der Sicht des Rechtsanwalts ist damit zum Beispiel zuhinterfragen, ob Hinweise in Fußnoten eine Irreführung ausschließen können. Der BGH hat z.B. festgestellt, daß der Hinweis „Keine Mitnahmegarantie. Sofern nicht vorhanden, gleich bestellen. Wir liefern sofort.“  ausreichend sein könne (BGH GRUR 03,164). Der Kunde erwarte nicht, daß nach Kundenwünschen zu konfigurierende Computer noch am selben Tag zu Verfügung stünden (BGH GRUR 99,511). Im Internet erwarte der Kunde, daß der Händler das Gerät sofort lossenden könne: Ein Vorbehalt der Selbstbelieferung sei nicht relevant (BGH GR 05,690,692).  

Neue Rechtslage

Die Nr.5 und Nr.6 desAnhanges I der Richtlinie müssen bei der Auslegung des § 5 V 3 UWG zwingend beachtet werden. Die Tatbestände der beiden Normen stellen nicht aufdie Bevorratung ab, sondern auf die unterlassene Aufklärung überdie Bevoratung. Es kommt also nicht darauf an, daß eine Ware zwei Tage vorrätig war (die Richtlinie kennt diese Frist nicht), sondern darauf, daß der Verbraucher selbst in die Lage versetzt wird zu überlegen, ob sich der Besuch des Ladenlokals lohnen wird oder nicht. Es kommt entscheidend darauf an, daß nach den Umständen des Einzelfalles unter Berücksichtigung der Denkweise des angesprochenen Verbrauchers eine angemessene Zeitspanne genannt wird oder die Faktoren derBevoratung so dargelegt werden, daß der Verbraucher abschätzen kann, ob sich die Reise zum Anbieter lohnt.

Stefan G. Kramer

Rechtsanwalt

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