Wettbewerbsrecht: Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken

Wie in so vielen Bereichen ist auch das Wettbewerbsrecht von der EU vereinheitlicht worden. Die Richtlinie über unlautere Rechtspraktiken (UGP-Richtlinie 2005/29/EG) ist ein Fall der Vereinheitlichung. Obgleich das deutsche Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) gerade im Jahre 2004 reformiert wurde, war kurz darauf diese EU-Richtline zu beachten. Die Umsetzung der Richtlinie hatte nämlich bis zum 12.12.2007 europaweit zu erfolgen. Das deutsche UWG wurde daher erneut am 22.12.2008 vom Gesetzgeber entsprechend geändert. 

Die Änderung hat insbesondere zu der Einfügung des § 5a UWG (Irreführung durch Unterlassung) und des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG geführt. Der Anhang ist eine Liste von Geschäftspraktiken die schlichtweg als wettbewerbswidrig zu erachten sind. Dieser Anhang gilt für die EU-Richtlinie 2005/29/EG und musste von allen Mitgliedsstaaten unverändert übernommen werden. 

Aufgrund der Harmonisierung der wettbewerbsrechtlichen Vorschriften taucht für die Gerichte des jeweiligen Landes immer die Frage auf: Wie steht unser altes Recht zum neuen Recht? Ist die Richtlinie der EU abschließend oder kommen unsere Vorschriften ergänzend zur Geltung? 

Eine Vorschrift aus dem belgischen Recht wurde nunmehr im Hinblick auf diese Frage vom EuGH überprüft, siehe Urteil vom 23.04.2009, Az. C-261/07, C-299/07. Nach dem belgischen Recht waren Koppelungsangebote jeglicher Art grundsätzlich wettbewerbswidrig. Nach dem deutschen Recht ist ein Koppelungsangebot ein Angebot, das unterschiedliche Waren oder Dienstleistungen zu einem Gesamtangebot zusammenfasst. Die Definition nach dem belgischen Recht weicht von dieser Definition ab, es sind aber letztendlich ähnliche Handlungen erfasst. Etwaige Ausnahmen zu dem Verbot sind auch vom belgischen Gesetz benannt. Das mit der Prüfung des Unterlassungsanspruchs wegen des wettbewerbswidrigen Koppelungsangebotes angerufene Gericht bezweifelte, ob die alten belgischen Vorschriften noch anwendbar seien. Koppelungsangebote sind nämlich in dem Anhang zu der EU-Richtlinie 2005/29/EG nicht erfasst.

Der EuGH hat entschieden, dass die EU-Richtlinie die Vollharmonisierung bezwecke und dass die im Anhang der Richtlinie genannten unlauteren Geschäftspraktiken abschließend seien. Nur diese seien ohne Betrachtung des Einzelfalles als unlauter einzustufen. 

Da das belgische Recht die Koppelungsangebote auch schlichtweg verbiete, obgleich diese nicht im Anhang aufgelistet sind, sei das Verbot der Koppelungsangebote nicht zulässig. Selbst wenn das belgische Recht Ausnahmen zu dem Verbot der Koppelungsangebote regele, sei dies nicht eine Einzelfallbetrachtung, die nicht von dem Anhang erfasst werde. 

Die Entscheidung des EuGH betrifft das deutsche Recht zunächst nicht unmittelbar. Denn nach dem deutschen Recht sind Koppelungsangebote grundsätzlich zulässig. Nur unter bestimmten Umständen kann ein Koppelungsangebot wettbewerbswidrig sein. Allerdings sind durchaus ähnlich gelagerte Konstellationen möglich, wonach nach deutschem Recht eine Geschäftspraktik unlauter ist, obgleich die Handlung nicht im Anhang erfasst wird. Es bleibt zu erwarten, dass dem EuGH weitere Vorabentscheidungen zu dieser Problematik vorgelegt werden.

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