Softwarelizenz: Qualifikation von Projektverträgen

Durch die neuere Rechtsprechung des BGH zum § 651 BGB sind Fragestellungen von Wirksamkeit von Standardverträgen im Bereich von Parametrisierung, Customizing und Stellung von Individualsoftware aufgetreten. Das geläufige Schema lautete, dass ein Vertrag, welcher auf die Erzielung eines bestimmten Erfolges gerichtet ist, als Werkvertrag zu qualifizieren ist.

Dieses Schema kann nach der jüngeren Rechtsprechung des BGH nicht mehr durchgehalten werden. Nach der Rechtsprechung des BGH ist in jedem Fall vorrangig zu prüfen, ob nach § 651 BGB vorrangig allein Kaufrecht (§651 Satz 1 BGB) oder Kaufrecht, ergänzt durch einige Werkvertragsvorschriften (§§ 642, 643, 645, 649, 650 BGB) zur Anwendung kommt. Handelt es sich um eine vertretbare bewegliche Sache, so ist allein Kaufrecht anwendbar. Der Terminus vertretbare Sache stammt aus dem § 91 BGB. Der § 91 BGB ist eine Definitionsnorm die besagt, dass eine Sache dann vertretbar ist, wenn sie im Verkehr nach Zahl, Maß oder Gewicht zu werden pflegt. Diese  – uralte –  Formulierung soll besagen, dass eine Sache dann vertretbar ist, wenn sie sich nicht von anderen Sachen unterscheidet, die gleichartig sind. Eine Sache ist dann vertretbar, wenn sie austauschbar ist. Zum Beispiel sind neue Fernseher vertretbar. Ein Fernseher kann  – wenn er mangelhaft ist und nicht repariert wird –  durch einen Fernseher aus derselben Serie ausgetauscht werden. Im Rahmen der Erstellung von Software bzw. deren Customizing oder Parametrisierung wird man im Normalfall davon ausgehen dürfen, dass keine vertretbare Sache vorliegt, da die Software zumindest in ihrer konkreten Gestalt durch die Anpassung an die Wünsche des Kunden eben nicht mehr austauschbar ist.

Einzelne Module eines Softwareherstellers sind dagegen austauschbar und damit vertretbar. Werden die einzelnen Module angepasst und entsprechend den Bedürfnissen des Kunden modifiziert, werden diese Module durch die Anpassungsarbeiten unvertretbar und nicht mehr austauschar. Es sei aber auch klar gesagt, dass die Frage der Vertretbarkeit eine Frage der Interpretation ist. Die Frage der Austauschbarkeit richtet sich ja danach, welche Eigenschaften der Sache man eigentlich betrachtet. Betrachtet man die Funktionalitäten und Eigenschaften einer angepassten Software, so wird man vermutlich davon ausgehen können, dass es auch eine andere Software auf der Welt gibt, die mit dieser Software kompatibel ist und durch dieses ausgetauscht und ersetzt werden kann. Auch hängt es bestimmt davon ab, ob nur dieser Kunde die für ihn entwickelten Funktionalitäten und Leistungsmerkmale verwenden kann oder auch andere Kunden. Die Frage, ob eine vertretbare oder nicht vertretbare Sache vorliegt, kann im Einzelfall schwierig zu beantworten sein.

Der BGH hat in seiner Entscheidung klar dargelegt, dass das Vorliegen von Planungsleistungen alleine nicht ausreicht, um den werkvertraglichen Charakter der vertraglichen Beziehung zu begründen. Nur dann, wenn die Planungsleistungen den Vertrag nominierten, müsse man schwerpunktmäßig von dem Vorliegen eines Werkvertrags ausgehen. Da die meisten Softwareprojekte sich nicht auf den Bereich der Erstellung des Pflichtenheftes oder einer Feinspezifikation beschränken, kann dieser Aspekt regelmäßig vernachlässigt werden. Ob sachgemäß oder nicht, die Neuerstellung von Standardsoftware unterliegt nach neustem Diktum des BGH dem Kaufrecht, wobei einige, oben genannte Regelungen des Werkvertragsrechts zur Anwendung kommen. Das bedeutet z.B., dass die Regelungen über das kaufmännische Rügerecht und die Gewährleistung des Kaufrechts an die Stelle der Abnahme im Werkvertragsrecht treten.

Parametrisierung: Parametrisierung unterfällt rein dem Kaufrecht, da keine neue Sache hergestellt wird. Selbst dann wenn der Kunde nicht selbst in der Lage sein sollte, die Software so einzustellen, dass sie ablauffähig ist, ändert sich nichts. Umfang der Parametrisierung sowie deren Kosten spielen ebenfalls für die rechtliche Qualifikation keine Rolle.

Customizing: Customizing  – also die Veränderung des Quellcodes oder die Erstellung von neuen Funktionalitäten im Auftrag des Kunden –  unterfallen nunmehr nach § 651 Satz 3 BGB dem Kaufrecht, wobei einige Regelungen des Werkvertragsrechts Anwendung finden.

Anpassung von Software, die bereits beim Auftraggeber vorhanden ist, unterfallen nach wie vor dem Werkvertragsrecht.

Weitere Beiträge

Markenanmeldung einfach erklärt

Sie haben ein Produkt und jeder soll wissen, dass es zu Ihrer Firma gehört. Um einen Wiedererkennungswert zu schaffen, denken Sie sich einen passenden Namen für das Produkt aus. Sie betreiben ein kostenintensives Marketing und investieren in die Qualität des

Mehr lesen »

AÜG für die IT 2024 Teil II

III. Abgrenzbares/ dem Auftragnehmer als eigene Leistung zurechenbarer Auftrag Wie sollen die Einzelverträge /SOWs/ Aufträge formuliert sein? 1.) Abgrenzbares Werk Nach der Rechtsprechung soll es entscheidend sein, ob ein abgrenzbares, dem Auftragnehmer als eigene Leistung zurechenbares Werk, vertraglich vereinbart ist

Mehr lesen »

Markenschutzfähigkeit bejaht für #darferdas

Die Entscheidung des BGH ist bereits vom 30.01.2020 (Az. I ZB 61/17 (pdf)). Sie zeigt aber, wie schwierig es sein kann, eine Marke anzumelden, die nicht aus reinen Phantasie-Wörtern oder Begriffen besteht und vielleicht auch nicht besonders originell ist. Angemeldet wurde die Marke

Mehr lesen »
Nach oben scrollen