Softwarevertragsrecht: Leistungsstörungen bei Kauf- oder Werkverträgen I

Softwarevertragsrecht: Leistungsstörungen bei Kauf- oder Werkverträgen I

Der gesetzliche Ansatz ist im Kauf- wie im Werkvertragsrecht gleich. Der Begriff des Mangels – im § 633 I bzw. 434 I 1 BGB geregelt – besagt, dass die gelieferte bzw. erstellte dann frei von Sachmängeln ist, wenn sie eine zwischen den Parteien vereinbarte Beschaffenheit hat. Dann – und nur dann – wenn es an konkreten Vereinbarungen fehlt, ist nach der gesetzlichen Fassung das Gesetz des Werks bzw. der gelieferten Sache dann frei von Sachmängeln, wenn es sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet. In der dritten Alternative heißt es, dass die erstellte bzw. gelieferte Sache dann frei von Sachmängeln ist, wenn sie eine Beschaffenheit aufweist, die bei Werken bzw. gelieferten Sachen der gleichen Art üblich ist, die der Besteller bei Leistungen dieser Art erwarten kann.

Zentral für die Frage, ob überhaupt ein Mangel vorliegt, ist deshalb der Status der vereinbarten Sollbeschaffenheit. Egal, ob im Workshop-Protokoll, im Pflichten- oder Lastenheft, im Angebot oder in anderen Dokumenten: nur dann, wenn der zwischen den Parteien vereinbarte Sollzustand klar spezifiziert werden kann, kann man die Frage, ob ein Mangel vorliegt, relativ schnell und klar beantworten. Fehlt es an einer solchen Dokumentation, muss auf die Vertragsgespräche, Vertragsunterlagen und die Kommunikation der Parteien abgestellt werden. Führt auch dieser Weg ins Leere, so wird auf die übliche Verwendung der Software zurück zu greifen sein.

Im Kaufrecht können sich Anforderungen aus den Leistungsbeschreibungen des Herstellers ergeben. Aussagen in der Werbung, Anpreisungen in Prospekten etc. All diese Dinge können nach dem Gesetz dazu herangezogen werden die vertraglich geschuldete Sollbeschaffenheit zu konkretisieren.

Nun ist klar, dass ein Pflichtenheft in der Praxis niemals so ausgestaltet sein wird, dass sämtliche Funktionen und Eigenschaften der abzuliefernden Software von ihm erfasst sein werden. Lücken des Pflichtenheftes werden durch Auslegung geschlossen. Hierbei wird abgestellt auf die gewöhnliche Verwendung der Software, und genau in diesem Zusammenhang hat man darauf zu achten, was genau in der Präambel steht. Sofern der Auftraggeber in der Präambel den Vertragszweck, welchen er mit der Einführung der Software verbindet, abstrakt umreißt, ist große Vorsicht geboten. Jeder Mangel des Anforderungsprofils wird vermutlich nur im Wege eines unechten Changes zu schließen sein.

Gesetzliche Vorgaben müssen von der Software auch erfüllt werden, wenn dies nicht vertraglich von beiden Parteien festgelegt wurde. Es ist klar, dass eine ERP-Software die geltende Umsatzsteuer richtig ausweisen muss. Genau aus diesem Grunde ist es wichtig darauf zu achten, in welchem Land die Software bestimmungsgemäß eingesetzt werden muss.

In den folgenden Zeilen möchte ich eigene Beispiele geben für Fehler, die in der Rechtsprechung behandelt wurden und die möglicherweise zur Verwunderung führen. Interessierte kann ich auf die Ausführung wenn den Standardwerken von  Marly  bzw. von Schneider/ Westphalen  verweisen.

So liegt zum Beispiel ein Mangel vor, wenn ein Programm bei geringfügigen Bedienungsfehlern abstürzt und im Handbuch keine Ausführungen zu finden sind, wie die Bedienungsfehler zu vermeiden sind (uralter Fall vom OLG Köln, CR 89,391). Mängel im Verhältnis auf die vereinbarte Systemumgebung führen ohne weiteres zum Entstehen entsprechender Gewährleistungsansprüche für den Kunden. Vgl. hierzu die ebenfalls uralte Entscheidung des OLG Karlsruhe, CR 95,397. Die Entscheidung des OLG Karlsruhe ist auch deswegen so beeindruckend, weil Sie ausführt, dass ein Programm eine bestimmten Bedienkomfort ausweisen muss, der den jeweiligen Stand der Technik entspreche. Man beachte hierzu die ISO 9241. Die Entscheidung ist allerdings nicht unumstritten. Bei fehlerkritischem System kann die bloße Gefahr von Fehlern einen Mangel darstellen.

Beeindruckend ist erneut die Entscheidung des OLG Köln vom 29.10.1999 – CR 2000,354, aus der sich ergab, dass die Nutzbarkeit der Software durch eine Programmsperre beeinträchtig werde, was insbesondere dann der Fall sei, wenn die Programmsperre dazu benutzt wird, säumige Kunden zur Zahlung anzuhalten. Ich halte das für richtig, die rechtliche Sichtweise wird sich aber diametral ändern, wenn das Bestehen der Programmsperre bereits bei Vertragsinhalt bekannt gegeben wurde.

 

 

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