IT-Recht: Rechte an Geschäftsprozessen bei Anpassung von ERP Software

Rechte an angepasster Software

Enterprise Resource Planning Software wird heute in beinahe jedem Unternehmen verwendet, wenn es um die Planung von Betriebsmitteln, Kapital und Personal geht. Aus Kostengründen wird heutzutage überwiegend Standardsoftware gekauft und angepasst. Die Kenntnisse um die Ergebnisse der Anpassung sind bares Geld wert, denn die Wahrscheinlichkeit ist hoch, daß die Anpassungen der Standardsoftware bei einem anderen Kunden wieder eingesetzt werden können.

Die Kunden, die für den Anpassungsprozeß bezahlen möchten natürlich nicht, daß Wettbewerber von ihren Investitionen profitieren. Die Anpassung von Standardsoftware ist kostenspielig. Es muß evaluiert werden, wie das eigene Unternehmen arbeitet, wie die Standardsoftware arbeitet, das Delta muß beschrieben werden und anhand des Deltas muß die Software angepasst werden. Anders gesagt: Das bis dahin dem IT-Unternehmen nicht verfügbare Know How des Unternehmens wird auf der Ebene der Software adaptiert und kann für andere Kunden des Unternehmens verfügbar gemacht werden.  Ein großer Wert.

In diesem Blog geht es um die Frage, welche Rechte das IT-Unternehmen wirklich an den Geschäftsprozessen erlangt.

Vorab zur Terminologie, weil innerhalb der IT Branche identische Begriffe andere Bedeutung haben können.

ERP Software ist ein Softwaresystem, das zur Optimierung von Geschäftsprozessen eingesetzt wird und aus verschiedenen Modulen zusammengestellt der Integration und Steuerung unterschiedlicher Unternehmensaktivitäten dient.

Standardsoftware: Diejenige Software, die nicht innerhalb eines bestimmten Projekts für einen bestimmten Kunden erstellt wurde oder wird.

Individualsoftware: Diejenige Software, die innerhalb eines bestimmten Projekts für einen bestimmten Kunden erstellt wurde oder wird.

Customizing: Die Anpassung von Standardsoftware durch Änderungen oder Erstellung von Code (also Quell- und Objektcode). Dieser Begriff wird von der SAP und anderen Unternehmen anders verwendet, aber mehrheitlich dürfte diese Auslegung des Begriffs passen.

Parametrisierung: Die Anpassung von Standardsoftware an die Befürfnisse des Kunden durch Verwendung von bereits vorhandenen Anpassungsmöglichkeiten der Standardsoftware ohne Änderungen oder Erstellung von Quellcode.

Konfiguration: Abgrenzung zur Parametrisierung ist mir bis heute nicht klar. Ich denke, daß die Konfiguration eine grobe Form der Parametrisierung ist, aber auch dort gibt es mannigfaltige Überschneidungen, die ich schon kennenlernen durfte.

Rechte:

Übergreifend kann man sagen: Gesetzliche Schutzrechte wie Patente und Urheberrechte entstehen an solchen Erzeugnissen, die die Anforderungen eines gesetzlichen Schutzrechts erfüllen.

1.) Software §§ 69a, 69b, 31 Abs.5 UrhG

Ist nach § 69a UrhG der Quell- und Objektcode und praktisch immer vom Urheberrecht geschützt. Wenige, nicht ganz banale Zeilen Code reichen aus, um den Schutz des Urheberrechts genießen zu können. Das Urheberrecht entsteht in der Person des Programmierers. Genau aus diesem Grund sind auch Formulierungen in Vertragsbedingungen unsinnig, nach deren Inhalt die Urheberrechte auf den Kunden übergehen oder aber bei gemeinschaftlicher Erstellung des Pflichtenheftes gemeinschaftliche Urheberrechte entstünden. Beides ist falsch. Das Gesetz regelt nicht vertraglich abdingbare Voraussetzungen. Die Nutzungsrechte an dem Programm gehen von dem Programmierer auf das Unternehmen über, für das er / sie arbeitet; entweder im Rahmen der cessio legis nach § 69b UrhG oder bei freien Mitarbeitern über die jeweiligen Verträge. Der Kunde erhält nach § 31 Abs.5 UrhG nur die Rechte, die er zur Verwendung des Programms unbedingt braucht. Will der Kunde verhindern, daß die für ihn entwickelte Software auch für andere Unternehmen eingesetzt wird, muß er vertragliche Regelungen treffen.

2.) Pflichtenheft, Dokumentation, §§ 2 Abs.1, Abs. 7 UrhG

Das Pflichtenheft ist nach richtiger Ansicht nicht nach § 69a UrhG geschützt, weil der EUGH im Rahmen der Entscheidung SAS Institute festgelegt hat, daß nur Quell- und Objektcode von der Softwarerichtlinie geschützt sind (EUGH CR 2012, 428). Geschützt sei, was der HArdware Anweisungen gebe, wie zu verfahren ist. Und analog zu der Aussage, daß Bedienungsanleitungen und Benutzerhandbücher nicht als Bestandteil der Software geschützt sind (EUGH aaO) wird dies auch für Pflichtenhefte & Co gelten, da diese ebenfalls der Hardware keine Anweisungen über die nächsten Schritte geben.

In Betracht kommt nur ein Schutz über die §§ 2 Abs.1 und Abs.7 als Textwerk oder als Multimediawerk. Man mache sich aber nichts vor. Die Anforderungen an die Schutzfähigkeit von Textwerken sind ungemein viel höher als diejenigen, die für Computerprogramme bestehen. Natürlich ist es richtig, wenn Huppertz (in Recht der Daten und Datenbanken Rn. 17 zu § 12) schreibt, daß dann wenn Geschäftsprozeße durch Art und Form der Auswahl und Einteilung Anordnung „besonders übersichtlich dargestellt werden und sich hieraus eine gut verständliche und einleuchtende Darstellung der komplexen Zusammenhänge…..“ ergäbe, das erforderliche Schutzniveau erreicht wird. Nur in der Praxis wird das kaum jemals der Fall sein. Diese Dokumentation bestehen meistens Exceltabellen, Charts und Powerpointfolien, die vielleicht Microsoft kompatibel sind. Aber besonders kreativ sind sie nicht oder nur sehr, sehr selten.Vor allem bestehen die Dokumentationen nur selten in ausführlichen Sätzen. In Wahrheit sind es häufig Gebrauchsgrafiken (nämlich Chartobjekte aus Programmen wie Powerpoint etc.) , denen wenige erläuternde Sätze angefügt sind. Und weder die Sätze für sich noch in Kombination mit Würfel oder Pfeilen wird daraus immer ein kreatives Ganzes erstellt.

Das IT Unternehmen wird unter den gleichen Voraussetzungen keine urheberrechtlichen Nutzungsrechte an diesen Dokumentationen erlangen. Es handelt sich um dokumentiertes Know How. Wie das geschützt wird, ist Gegenstand eines anderen Blogs.

3.) Parametrisierung

Sofern eine Software parametrisiert wird, ändert sich nichts an der Software, so daß der Schutz über die §§69a UrhG wieder ausscheidet. Der Schutz über die §§ 2ff.  UrhG ist wieder schwer erreichbar, weil a.) nach § 2 I UrhG  die Arbeitsprodukte der Parametrisierung äußerlich wahrnehmbar sein müssten. Das ist eine Klippe, über die man vielleicht noch kommt, weil die Software in ihrer angepassten Gestalt äußerlich wahrnehmbar ist. Aber dann bedarf es wieder einer erheblichen Kreativen – und eben nicht nur rein methodisch technischen – Leistung, um das erforderliche Schutzniveau des § 2 UrhG zu erreichen.

Der Schutz der Parametrisierungsergebnisse über § 87a UrhG (Schutz der Datenbank) ist eine Denkmöglichkeit, weil bei der Steuerung von Software ganz häufig Tabellen verwendet werden, deren Inhalt oder Struktur im Rahmen der Parametrisierung geändert wird. Nur führt auch diese Möglichkeit nicht weiter, wie Huppertz (aaO, Rn. 28f) anführt, weil die Elemente der Tabellen, aus denen heraus die Software gesteuert wird, nur ganz selten einzeln abrufbar sind, was aber ebenfalls Voraussetzung des Schutzes durch die §§87a UrhG ist.

Auch hier bleibt es bei dem zu 2.) gefundenen Ergebnis. Das, was in der Paramatriserung erzeugt wird, ist in den seltensten Fällen dem urheberrechtlichen Schutz zugänglich. Es ist Know How.

 

Weitere Beiträge

BGH zu Umfang der Kopie nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO

Gerade das Thema Auskunftsanspruch und Herausgabe der Kopien aller bei dem Verantwortlichen vorhandenen personenbezogenen Daten ist für die Rechtsprechung seit einigen Jahren ein oft behandeltes Thema. Relevanz hat das Thema, weil jedes Unternehmen mit einem Auskunftsanspruch konfrontiert werden kann. Und

Mehr lesen »
Nach oben scrollen