Aufklärungs– und Beratungspflichten und Mitwirkungspflichten – Splittung von Lizenz- und Werkvertrag

Dieser Blog geht auf eine jüngst durchgeführte mündliche Verhandlung vor dem OLG Schleswig zurück. In dem Verfahren vertreten wir den Kläger, der Auftraggeber ist. Der Kläger macht Ansprüche aus der Schlechterfüllung eines Werkvertrags geltend. Er trägt vor, dass die zu erstellende Software niemals abnahmefähig erstellt worden ist. Die Beklagte – auch keine Überraschung – macht geltend, dass der Kläger die ihm obliegenden Mitwirkungspflichten nicht erfüllt hat. Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung angedeutet, dass die nicht richtige Erfüllung der Mitwirkungspflichten auf einer mangelnden Aufklärung bzw. Beratung des Klägers basiert. Die Beklagte hat außerdem den Vertrag so gestaltet, dass sie dem Kläger mittels eines separaten Lizenzvertrages die Standardsoftware verkauft hat und mittels eines anderen Vertrages die Anpassung der Standard- Software realisieren wollte. Das Gericht hat angedeutet, dass diese Trennung der Verträge unbeachtlich ist und beide Verträge gemeinschaftlich als Werkvertrag anzusehen sind.

I. Aufklärung und Beratungspflichten und das Thema Mitwirkung

1.) Generell über Aufklärung und Beratung

Das Thema von Aufklärung und Beratungspflichten ist in der Rechtsprechung in den achtziger und neunziger Jahren häufig diskutiert worden. In der Literatur kann dies hervorragend anhand des Werkes von Marly, Softwarerecht, 2014 nachvollzogen werden.

Danach liegt eine Beratungspflicht vor, wenn der Mitarbeiter des IT Unternehmens gefragt wird. Es ist umfassend und richtig zu antworten. Die Beratung muss fehlerfrei und vollständig sein.

Aufklärungspflichten sind Pflichten zur Beratung, die den IT-ler verpflichten, den Kunden auch dann zu beraten, wenn der Kunde nicht gefragt hat. Es handelt sich hierbei also um eigeninitiative Informationspflichten. Diese eigeneninitiativen Informationspflichten bestehen immer dann, wenn der IT-ler evident mehr Know-how und Erfahrung als der Kunde besitzt. Gleiches sollte gelten, wenn für den IT-ler erkennbar ist, dass es dem Kunden an Fachkunde fehlt und er erkennbar auf die Fachkunde des IT-lers vertraut. Es gibt sogar Rechtsprechung – aber immer aus dem vorletzten Jahrzehnt des vergangenen Jahrtausends – einiger Oberlandesgerichte, die dem IT-ler die Verpflichtung auferlegen, selbstständig die Bedürfnisse des Kunden zu ermitteln. Dass die richtige Beratung bzw. Aufklärung zu dokumentieren ist, damit sie gerichtlich verwertet werden kann, brauche ich hier nicht zu erwähnen.

2.) Aufklärung und Beratung und Mitwirkungspflichten

Für mich neu und interessant war der Ansatz des OLG Schleswig, eine Verbindung zwischen Aufklärungspflichten und Mitwirkungspflichten herzustellen. Projekte können nicht gelingen, wenn der Kunde nicht mitwirkt. Juristisch betrachtet sind Mitwirkungspflichten zunächst einmal Obliegenheiten. Der Kunde der nicht richtig oder rechtzeitig mitwirkt, verliert nicht etwa sein Recht auf Erstellung der Software, kann aber den IT-ler nicht in Verzug setzen. Der Anspruch auf Erstellung eines Werkes kann also niemals fällig werden, wenn der Kunden selbst nicht mitgewirkt hat. Die rechtliche Konstruktion der Mitwirkungspflichten stammt aus dem Baurecht. Um zu verstehen, was der Gesetzgeber meint: Der IT-ler ist mit der Lieferung von Standard- Software und deren Anpassung beauftragt. Die Software soll auf einer noch vom Kunden zu besorgenden Hardware installiert werden. Solange der Kunde die Hardware nicht besorgt, kann der IT-ler auch nicht in Verzug geraten. Der Anspruch auf Herstellung einer abnahmefähigen Software ist nicht fällig, weil die Software nicht installiert werden kann.

Im konkreten Fall ging es darum, dass der Kunde viele Arbeitsleistungen zu erbringen hat, damit der IT-ler über die konkreten fachlichen Anforderungen des Kunden überhaupt informiert wird. Diese fachlichen Informationen muss der IT-ler natürlich haben, damit der weiß, wie die Standard- Software angepasst werden soll. Das Problem besteht nicht darin, dass die Mitwirkungshandlung des Kunden generell erforderlich ist. Das Problem besteht darin, dass der Kunde ob des schieren Ausmaßes der Arbeitsleistungen, die zu erbringen sind, überrascht ist.

Soweit die einfache Theorie. In der Praxis scheuen sich viele IT- Unternehmen im Rahmen von Vertragsverhandlungen, dem Kunden das Ausmaß der Mitwirkungspflichten konkret mitzuteilen. Häufig wird auch gesagt, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages das Ausmaß der Mitwirkungspflichten ja noch nicht konkret feststünde. Richtig ist aber, dass im groben Mittel die von dem Kunden zu erbringende Mitwirkungspflichten im Rahmen von Projekten ungefähr das dreifache (bis sechsfache) Ausmaß dessen ausweisen, was das IT- Unternehmen an Arbeitsleistung zu erbringen hat. Hierüber hat die Beklagte die Klägerin nicht richtig aufgeklärt. Die Folge einer mangelhaften Aufklärung besteht in einer Schadensersatzpflicht gemäß den §§ 311 Abs. 2,241 Abs. 2,280 Abs. 1 BGB. Diese Schadensersatzpflicht kann den Anspruch auf den Werklohn vollständig aufzehren. Im konkreten Fall (ich habe just währenddessen ich diesen Blog diktiere die Entscheidung des OLG Schleswig auf den Tisch bekommen) ginge Schadensersatz so weit, dass die Beklagte verurteilt wurde, der Klägerin die Lizenzkosten sowie die Kosten für die Erbringung der Werkleistungen komplett zu erstatten.

Aus der Sichtweise des IT- Unternehmens ist man also sehr gut beraten, den Kunden umfassend darüber aufzuklären, welche Mitwirkungspflichten in welchem Umfang zu erbringen sind. Ist das Personal, dass die Sachleistung erbringen soll, ausreichend geschult und qualifiziert? Sind die Mitarbeiter des Kunden in den fraglichen Zeitfenstern überhaupt in der Lage, die erforderlichen Leistungen zu erbringen? Und letztlich ist natürlich auch klarzustellen, dass die Mitarbeiter des Kunden freizustellen sind. Ein Projekt kostet den Kunden nicht nur das Geld, das auf den Rechnungen für das IT- Unternehmen fakturiert wird. Es kostet eben auch das Geld, das infolge von Aufwendungen für die eigenen Mitarbeiter zu erbringen ist.

Aus der Sichtweise des Kunden ist man gut damit beraten, gerade und besonders dem Kapitel der Mitwirkungspflichten große Beachtung zu schenken. Mitwirkungspflichten haben klar und transparent formuliert zu sein. Gemäß dem Mantra des Projektmanagements muss feststehen, wer was wann mit welchen Mitteln zu leisten hat. Auf Formulierungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die lediglich Gemeinplätze wiederholen (der Kunde hat die erforderlichen Mitwirkungspflichten beizubringen) sollte man mit einer gehörigen Portion Skepsis reagieren.

II. Trennung von Software- Lizenz und Werkvertrag

Im vorliegenden Fall hat das Unternehmen des IT-lers ein Problem. Die Standard- Software stammt von einem amerikanischen Anbieter. Die Standardsoftware des amerikanischen Anbieters wird mittels eines Lizenzkaufvertrages zunächst dem IT-ler verkauft. Scheitert aber die Anpassung der Standard- Software, bleibt das IT- Unternehmen auf dem Schaden sitzen. Die Lizenzbestimmungen des Herstellers der Standardsoftware besagen, dass die Software nicht weiterverkauft werden darf. Die Lizenz ist kundenbezogen. In dieser Situation sagte sich das IT- Unternehmen auf der Beklagten- Seite, es sei vernünftig, ein anderes Unternehmen zu gründen. Ein Unternehmen würde dem Kunden die Software verkaufen, während das zweite Unternehmen mittels eines gesonderten Vertrages die Software anpassen würde. Gesellschafter und Geschäftsführer beider Unternehmen traten in Personalunion auf. Das Gericht hielt es für unerheblich, ob eine künstliche Trennung beider Verträge vorgenommen worden sei oder nicht. Wirtschaftlich und rechtlich seien beide Verträge als Einheit zu betrachten. Scheitere die Anpassung der Standardsoftware, sei auch der Lizenz Kaufvertrag rückabzuwickeln.

 

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