Softwarelizenzrecht: Typische Fehler II – Diskrepanz zwischen der Vorstellung des Kunden und dem Istzustand der Software

Abweichung zwischen der Vorstellung des Kunden und dem Ist-Zustand der Software

Dieser Mangeltyp zeichnet sich dadurch aus, dass eine Diskrepanz zwischen der Vorstellung des Kunden und dem Ist-Zustand der Software besteht. Natürlich lässt sich darüber trefflich diskutieren, ob frustrierte Erwartungshaltungen des Kunden tatsächlich einen Mangel begründen. Aber das Gesetz sagt aus, dass sich die Ware – also gleich ob Software oder Hardware – zur Erreichung des Vertragszwecks eingehen muss, den der Kunde mit der Durchführung des Vertrags anstrebt und dass die Ware dem objektiv üblichen Standard entspricht.

Die Fallgruppe spielt gerade während der Einführung von Software eine große Rolle, namentlich dann, wenn der Kunde das Produkt des IT`lers durch den Gebrauch und durch Testvorgänge besser kennenlernt als Präsentationen und Werbeversprechungen. Zugleich lernt der IT`ler während dieser Phase die Vorstellungen des Kunden besser kennen, die dieser häufig auch im Vorfeld von Vertragsverhandlungen nicht hinreichend konkret ausgedrückt hat.

Es sind diese nicht offen gelegten Missverständnisse, die die Einführung von Software häufig scheitern lassen. Der Kunde argumentiert, der IT`ler hätte ihm das Blaue vom Himmel versprochen und nicht die elementarsten Anforderungen eingehalten, die an einer Software zu stellen sind, die eben für diesen Vertragszweck eingesetzt werden solle. Die IT`ler argumentieren häufig, der Kunde selbst habe die Anforderung, die er an die Software stelle, nur unzureichend beschrieben, weshalb Diskrepanzen zwischen dem Ist-Zustand der Software und der Vorstellungswelt der Software erst nach Vertragsabschluss auftreten würden.

Es gibt eine Reihe von relevanten Entscheidungen, die kurz aufgelistet werden sollen.

Dem Sachverhalt der Entscheidung des OLG Stuttgart (CR 2008, 148 f.) lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem ein Computerprogramm eine Fehlermeldung während des normalen Datensicherungsprozesses ausgab, in Resultat dazu führte, dass das Resultat der Datensicherung vom Kunden händisch nachgeprüft werden musste. Das OLG sah in dieser Eigenschaft der Software einen Sachmangel, denn unabhängig davon ob die Datensicherung nun tatsächlich fehlerhaft durchgeführt worden sei oder nicht, müsse der Kunde den automatisierten Prozess stets händisch nachprüfen, was ein Zeitaufwand von bis zu 15 Minuten hervorrufe. Dies begründe einen Sachmangel. Implizit sagt das Gericht damit, dass eine Software nur dann eine Fehlermeldung rausgeben dürfe, wenn sichergestellt sei, dass tatsächlich eine fehlerhafte Datensicherung vorliegt. Der Zweck einer automatisierten Datensicherung besteht nach Ansicht des Gerichts vermutlich darin, dass keine händischen Prüfungen erforderlich sind.

In dem Bereich des Themas „Sachmangel, wenn nicht geeignet, den Vertragszweck zu erfüllen“ gehört ganz sicher der Entscheidung des Landgerichts Bonn (CR2007, 767). Es ginge um ein Warenwirtschaftssystem, dass die Abwicklung von Zuliefertätigkeit nicht den normalen Standards entsprechend erfasste. Konkret wurden Kennzeichen für Lieferabrufe nicht ordnungsgemäß erfasst, so dass Lieferabrufe nicht entsprechende Änderungen des Bestandes zur Folge hätten. Das Landgericht sah hierin ein Mangel. In die Gruppe passt eine alte Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1982 ( NJW 82,696). Ein Computerprogramm, welches die Abrechnung zahnärztlicher Leistungen zum Gegenstand hatte, druckte Krankenscheinaufkleber aus, deren Annahme die Krankenkasse verweigerte. Der BGH führte aus, dass selbst die Annahme der Aufkleber durch einige Krankenkassen nicht dazu führte, dass kein Mangel vorliege, denn zum vertragsgemäß vorausgesetzten Gebrauch gehöre es, dass alle die verwendeten Aufkleber akzeptieren würden.

Abhilfe

Bei der Einführung von Standardsoftware (also Kaufverträgen) kann Abhilfe durch detaillierte Leistungsbeschreibungen geschaffen werden. Soll Software erstellt oder Standardsoftware nach den Wünschen des Kunden angepasst werden, so ist eine Projektmethodik zu wählen, die gewährleistet, dass das Delta zwischen den Vorstellungen des Kunden und dem Ist-Zustand der Software erstens zu Tage tritt und zweitens ohne Eskalation minimiert wird.

Stefan G. Kramer

Rechtsanwalt

Übersicht

Typische Mängel I (Übersicht)

 

Weitere Beiträge

Datenschutz

EuGH zu Haftung und Schadensersatz nach DSGVO nach Cyberangriff In einem wegweisenden Urteil (Urteil vom 14.12.2023, Az. C 340/21) hat der EuGH wichtige Fragen zur Auslegung der DSGVO, insbesondere zu den Art. 24 und 32 DSGVO, die die Verantwortlichkeit der

Mehr lesen »

Markenanmeldung einfach erklärt

Sie haben ein Produkt und jeder soll wissen, dass es zu Ihrer Firma gehört. Um einen Wiedererkennungswert zu schaffen, denken Sie sich einen passenden Namen für das Produkt aus. Sie betreiben ein kostenintensives Marketing und investieren in die Qualität des

Mehr lesen »

AÜG für die IT 2024 Teil II

III. Abgrenzbares/ dem Auftragnehmer als eigene Leistung zurechenbarer Auftrag Wie sollen die Einzelverträge /SOWs/ Aufträge formuliert sein? 1.) Abgrenzbares Werk Nach der Rechtsprechung soll es entscheidend sein, ob ein abgrenzbares, dem Auftragnehmer als eigene Leistung zurechenbares Werk, vertraglich vereinbart ist

Mehr lesen »
Nach oben scrollen