IT-Recht: Dienstanbieter haftet für nicht abrufbare E-Mails

Kann ein gewerblicher Nutzer seine E-Mails nicht abrufen, und ist der Dienstanbieter für den Fehler verantwortlich, macht er sich schadensersatzpflichtig. Der zu ersetzende Schaden kann auch den entgangenen Gewinn umfassen, wenn dem Nutzer aufgrund der Störung konkrete Aufträge entgehen. Das entschied das OLG Naumburg (Urteil vom 11.07.2013 – 2 U 4/13).

Das Gericht erklärt, dass bei ausbleibender Nutzungsmöglichkeit des Mail-Accounts dann die Hauptleistungspflicht des Dienstanbieters verletzt sei, wenn der Fehler in dessen Sphäre liege.

Es ist also zu differenzieren: Eine Haftung scheidet aus, wenn die Mails nicht abgerufen werden können, weil Störungen im allgemeinen Internet-Datenverkehr auftreten. Erst recht gilt das natürlich, wenn die Störung aufseiten des Kunden selbst entsteht.

Der Anbieter ist aber dafür verantwortlich, die Daten am Knotenpunkt seines Rechenzentrums abrufbar bereitzuhalten. Treten also technische Probleme innerhalb des Rechenzentrums auf, welche die Abrufbarkeit zeitweise unterbrechen, kann sich der Dienstanbieter haftbar machen.

Von dieser Hauptleistungspflicht kann sich der Dienstanbieter auch nicht durch AGB freizeichnen lassen. Dies gilt mindestens dann, wenn es sich um kostenpflichtige Dienste handelt, was bei gewerblichen Nutzern regelmäßig der Fall sein dürfte.

Steht damit die grundsätzliche Haftung fest, bleibt die Frage nach deren Höhe. Im konkreten Fall ging es um eine Gutachterin, der die Erstellung eines Wertgutachtens für ein Grundstück deswegen entging, weil sie nicht an einer Ortsbesichtigung teilnehmen konnte. Denn die entsprechende E-Mail hatte sie nicht erreicht. Daraufhin hatte der Eigentümer ein drittes Unternehmen mit der Erstellung des Gutachtens beauftragt. In einem solchen Fall umfasse der Schadensersatz auch den entgangenen Gewinn, urteilte das Gericht.

Aufgrund der Besonderheiten des Falls war hier der erforderliche Nachweis, dass tatsächlich nur aufgrund der nicht abrufbaren Mail ein bereits sicher in Aussicht stehender Auftrag nicht zustande gekommen war, relativ leicht zu führen. Dies dürfte in der Regel die größte Hürde sein, die einer Inanspruchnahme der Dienstanbieter im Wege steht. Denn bloße Aussichten oder Erwartungen werden von dem Schadensersatzanspruch generell nicht erfasst. Es muss hinreichend konkrete Hinweise geben, dass es ohne das schädigende Ereignis zu dem Vertragsschluss auch tatsächlich gekommen wäre.

Aufseiten der Anbieter gilt nichtsdestotrotz: Neben technischen Vorkehrungen, welche die Abrufbarkeit von Mails und sonstigen Daten möglichst ausfallsicher machen, sollten auf vertraglicher Seite Absicherungen geschaffen werden. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen lassen sich solche Haftungsbegrenzungen nicht wirksam oder nicht in sinnvollem Umfange realisieren. Insoweit werden mit den einzelnen Kunden individuelle Haftungsobergrenzen verhandelt und in einem eigenen Vertragsdokument niedergelegt werden müssen.

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